16.08.2024 Freitag
Regensburg ist unser heutiges Ziel. Zerknittert von der Nacht, als hätte sonstwas stattgefunden, rappeln wir uns auf und zusammen. Wim weniger als ich, er hörte ja, wie beschrieben, rein gar nichts vom Rummel-Festzelt-Halli-Galli. An manchen Morgen gefalle ich mir gut, heute gehört nicht dazu. Hinzu kommt der wenig erheiternde Umstand, dass ich gerade lese, dass der ausgewählte, 10 km hinter Regensburg liegende SP heute durch ein Volksfest mit Markt belegt ist. Ohja, nein danke. Wir verzichten da gerne zu Gunsten anderer. Alternative gibt es nicht. Schade, sehr schade. Ich google nach einem CP. Not macht bekanntlich erfinderisch. Nah zur Stadt am Donauufer finde ich einen. Ein Telefonat mit einer Buchungszentralenmitarbeiterin bringt Sicherheit: eine Lücke ist frei für uns, Standardplatz, 2 Nächte, 114€, Strom inkl., ab 15 Uhr heute zu belegen. Ich sage zu. Ich lege auf. Ich knirsche leicht mit den Zähnen. Ich erhalte eine Bestätigungsmail. Ich drücke Navi-Rüdiger die Adresse aufs Auge. Und ab geht die Post. Gemütlich über die Landstraße nehmen wir die heutige Wahnsinnsstrecke von 29 km in Angriff. Es geht an der Donau entlang, oft an vielen voll hängenden Obstbäumen vorbei, wir passieren zwei mächtige steinerne Löwen zur Linken, deren Daseinsberechtigung sich mir im Moment nicht erschließt.
Noch den stöhnenden Hall der Wissenden und Weisen im Ohr, die natürlich um die Bedeutung der zwei Großkatzen wissen, kommen wir am auserkorenen CP an. Es ist 12.30 Uhr. Rezeption Mittagspause. Warten. Um 13 Uhr wird geöffnet. Freundlich kann ich sich von dickfellig bis elegant vordrängelnde Mitcamper in die Schlange zurück komplimentieren, selbst den älteren Herrn in feinem Zwirn, eben noch dynamisch entsprungen einem roten Mikro-Camper mit Bullenfänger, der Mitleid erregend seinen Leidensdruck hinsichtlich der für ihn unsäglichen Schwüle zu verdeutlichen versucht, um einfach eher dran zu kommen. Dieses Exemplar der Gattung Mensch wird dann von den anderen, auch im eigenen Saft stehenden Leuten hinter mir, energisch nach ganz hinten durchgereicht. Und noch bevor er mir leid tun kann, werde ich von hinter dem Tresen her nach meinem Namen gefragt und das übliche, ungewohnte und ungeliebte, CP-Registrations-Aufnahme-Erklärungs- und Ausfüllverfahren setzt sich in Gang. Glück im Unglück, denn eigentlich war ja Einlass erst ab 15 Uhr geduldet. So können wir jetzt, dem Campergott sei Dank, kurz nach 13 Uhr unsere im Plan mit Kuli eingekringelte Parzelle über den mit eingezeichnetem Pfeil markierten Weg gefahrlos belegen. Bei leicht bewölktem Himmel und milchigem Licht drückt die Schwüle mächtig. Der Platz ist aber schön bewaldet, was das Ganze irgendwie erträglicher macht. Hoffnungslos mit der Größe der Standard-Parzelle überfordert, richten wir uns ein. Irgendwie wirkt alles so ungemütlich und unpersönlich. Und vor allem unaufgeräumt bei uns. Jetzt werden die Wohnwagenleute aufschreien. Aber Wim und ich sitzen auf unserem weiten Feld, markisenlos, wozu auch, wir haben natürlichen Schatten, und überlegen, wie wir unser Bild dieser „Unordentlichkeit“ zusammenfassen können. Letztlich ist es rundum die Verschiedenartigkeit der Freizeitfahrzeuge gepaart mit PKW dazwischen, die uns diesen Eindruck vermittelt. Auf den SP hingegen gleicht sich jedes Vehikel irgendwie, egal welche Bauart. Selbst bei freier Wahl der Stellmöglichkeit ähnelt sich trotzdem alles. Zudem guckt man häufig in große Runden oder weitere Räume, so seltsam das klingen mag, auch wenn man parkplatzähnlich schön in Reih und Glied enger dasteht. Hier auf dem CP blicken wir direkt auf das Getriebe von einigen Campingnestern, sind wesentlich näher dran, quasi Teil der Privatsphären, erleben Alltäglichkeiten und Absprachen mit, Aus- und Eingeräume, schütteln den Kopf über den gerade noch über seine Naturliebe schwärmenden Camper gegenüber, der den letzten Zug seiner Zigarette nimmt, die Kippe auf der Wiese austritt und liegen lässt. Wir stellen Vergleiche an, ohne einem zu nahe treten zu wollen, das will ich betonen. Jedem Tierchen sein Plaisierchen.
Nach dieser analytischen Denkphase, die uns ein wenig weiter gebracht hat, satteln wir auf, um das nächste Problem anzugehen. Chianga humpelt seit gestern verstärkt. Ein Zeh ist deutlich geschwollen. Heute ist Freitag, Wochenende naht, und damit wäre evtl. nötige Hilfe erschwert zu bekommen. Und wenn dem Kind was fehlt, biste ja kein Mensch mehr. Ich google „Tierarzt Regensburg“. Bei einer Praxis geht nichts mehr, bei der nächsten habe ich Glück. Wir können bis 15 Uhr kommen. Also auf die Räder fertig los, erstmal am Ufer und der schönen Badestelle vom CP entlang, dann 4 km mitten durchs unbekannte Regensburg mit viel Verfranselungspotenzial, wovon wir an ein und anderer Stelle Gebrauch machen.
Es gelingt aber und Chianga wird verarztet. Eine junge sehr fürsorgliche Tierärztin widmet sich ihr ohne jede Scheu. Das ist nicht üblich, da haben wir auch schon andere Erfahrungen gemacht, obwohl das bei Chianga alles Null Problem ist, da sie sich ausnahmslos in ihr Schicksal begibt und alles klaglos und sanftmütig erduldet. Sie hat eine ordentliche Entzündung am Nagelbett, die sehr sehr schmerzhaft sei. Zwei Spritzen sind fällig. Antibiotika, Schmerzpillen und eine Tinktur zum Fußbaden nehmen wir mit. Donau waten ist gestrichen erstmal wegen weiterer Infektionsgefahr. Nützt nix, da muss sie jetzt durch. So hat die CP-Wahl doch ihr Gutes. Denn die Stadtnähe ermöglichte uns jetzt, flott einen Tierarzt zu erreichen. Ein Segen! Schwein gehabt! Nun drehen wir erleichtert die erste Runde durch Regensburg mit unserem kranken Hascherl im Hänger. Am Schlosspark vorbei landen wir ohne Ansicht des Schlosses in der Fußgängerzone. Quasi ersatzweise präsentiert sich das vermutlich sehr gediegene Maximilian Park Hotel, dem weitere schöne alte Fassaden folgen. Wohltuend nicht überladen wirkt alles. Es ist alles fein herausgeputzt auf den ersten Metern in dieser heute besterhaltenen mittelalterlichen Großstadt Deutschlands, die seit 2006 zum UNESCO-Welterbe gehört und über Jahrhunderte hinweg europäische Handelsmetropole und politisches Zentrum des Heiligen Römischen Reiches war. Gedanken an Dresden kommen auf und damit Bilder von „Auf Teufel komm raus“-Verschönerungen in überbordender Art, masken- und kulissenhaft. Hier atmet die Stadt anders. Wir sind gespannt auf alles.
Plötzlich nähern wir uns schon den gelegentlich hinter den Häuserzeilen heraus ragenden und zum Teil eingerüsteten Domspitzen. Hinter einer seitlichen Pforte des Kirchenbaus verschwinden Menschen. Bestens, ein Eingang, perfekt. Wir müssen nicht suchen und besichtigen den Dom wie gewohnt im Schichtbetrieb. Man nennt ihn auch die Kathedrale des Lichts. Benannt nach dem Heiligen Petrus, zählt er zusammen mit dem Kölner Dom zu den bedeutendsten Kathedralen in Deutschland. Besonders eindrucksvoll sind die farbenprächtigen Glasfenster aus dem 13. und 14. Jahrhundert, die das Kirchenschiff zum Leuchten bringen. Der Regensburger Dom besitzt die umfangreichsten noch erhaltenen, mittelalterlichen Glasmalereibestände des deutschsprachigen Raumes. Sie bestehen aus zigtausenden farbigen Gläsern, die mosaikartig zusammengesetzt sind. Hier toben sich also die Regensburger Domspatzen aus. Erinnerungen an die Chorknabenzeit meiner Jungs im Kölner Domchor werden hellwach. Die hohen glockenreinen Sopran 1-Stimmen schwingen sofort um die aufstrebenden Säulen, ein behagliches, sehr warmes Gefühl breitet sich aus in mir, während ich fasziniert die bunte Farbenwelt der Kirchenfenster genieße und mich daran erinnere, dass wir sehr oft auch Regensburger Chorknaben bei uns zuhause beherbergt haben während vielfältiger Konzertreisen, Festivals und Wettbewerbe der Chöre untereinander. Eine sehr schöne Erinnerung an eine sehr schöne Zeit, auf die man gerne zurückblickt und die auch gerne immer wieder angestoßen werden darf. So hat jeder unterwegs seine Momente, in denen „Reisen muss bewegen“ deutlich und greifbar wird.
Ungeahnt, draußen um die nächste Ecke der nächsten Erinnerung ausgesetzt zu sein, verschwinde ich am Ende des Platzes hinter einer weiteren Pforte, nehme an, es ist eine Kapelle. Ich staune nicht schlecht. Es ist schon eine Kirche, also war einmal eine, jetzt vermutlich Ausstellungsraum. Und aktuell findet sich darin eine phantastische Ausstellung der „Kunstsammlungen des Bistums Regensburg“, in der ausgewählte Musterscheiben und freie Arbeiten internationaler Künstler aus der Glasgalerie der Firma Derix Glasstudios Taunusstein gezeigt werden. „Farbmomente Internationale Glaskunst in St. Ulrich“ dürfen kostenlos erlebt werden. Ein wirkliches Erlebnis! Während unter den erst 2023 eingewiehenen 8 expressiven wunderschönen Glasgemälden von Markus Lüpertz in den Fassaden der Museumskirche St. Ulrich sein beeindruckender, 500 kg schwerer „David“ aus schwarzem Glas dem lebensfrohen Grinsen der Menschen von heute im Werk des Pop-Art-Künstlers James Rizzi gegenüber steht, fesselt der große Ausschnitt aus dem Fenster in der Kathedrale von Reims des Künstlers Imi Knoebel. Man kann auf Anhieb nicht sagen, welches Werk einen am meisten bannt. Das denke ich so … und wende mich einer anderen Seite zu, stehe vor einem Werk das mich schlagartig in den Kölner Dom katapultiert. Wenn das mal nicht Gerhard Richter ist, dann hab ich aber Null Ahnung von nix. Noch völlig unterinformiert, was mir hier im Gesamten vor Augen geführt wird, wünsche ich mir beinah, ich möge mit meiner „Richter“-Idee richtig liegen. Und ja, das am Eingang ausliegende Faltblatt bestätigt: Gerhard Richter, Ausschnitt aus dem Südquerhausfenster im Dom zu Köln. Was war das damals in Köln ein Aufruhr um dieses Originalfenster. Manche hielten es für Kinderkram, andere schwelgten im Glanz dieses Meisterwerks. Es teilte jedenfalls mächtig die Geister. Eins steht fest, bricht das Sonnenlicht im Hohen Dom zu Köln durch dieses Fenster mit seinen fast 12.000 mundgeblasenen, durch einen Zufallsgenerator angeordneten und in Handarbeit exakt eingeschliffenen kleinen quadratischen Scheiben und fällt ein in die Vierung des Doms, ist es ein lebendig-modernes Erlebnis der ganz besonderen Art, die etwas Beruhigendes verströmt und mit dem sich auch die skeptischeren Kölner irgendwann arrangiert haben … „et hätt noch immer joht jejange“ ;-).
Zeit für den Heimweg, genug Eindrücke für heute. Aber alles hat viel Lust auf mehr gemacht. Herum um weitere schöne Ecken und Sträßchen kommen wir wieder zum Donauufer und bestaunen die Steinerne Brücke, die sich in der Abendsonne besonders schön präsentiert. Man sagt ihr nach, sie sei das „Weltwunder des Mittelalters“. Seit Baubeginn 1135 gilt sie als ein Meisterwerk mittelalterlicher Baukunst und ist die älteste erhaltene Brücke Deutschlands. In steinernen Rundbögen überspannt sie über ca. 300 m den Fluss. Die Brücke selbst steht auf sechzehn Fundamentfüßen, auf denen die Tonnengewölbe des Brückenbauwerks ruhen. Nahezu 800 Jahre lang, bis ins Jahr 1935, blieb sie die einzige Brücke, die in Regensburg und im weiten Umkreis als zuverlässiger Donauübergang diente. Evtl. führt uns unsere morgige Tour darüber hinweg, denn die Aussicht auf die Stadt wird sicher sehr beeindruckend sein. Jetzt schließen wir uns noch den Badegästen in den Badebuchten an, „cool down“ ist angesagt, und der Abend kann kommen.
17.08.2024 Samstag
Regen in Regensburg. Gewittrig prasselt es schon in der Nacht hernieder. Wir trödeln im Womo herum. Gegen 12 Uhr ist alles wieder trocken, riesige Regenpfützen versickert. Der nächsten Radtour steht nichts mehr im Wege. Auch die Badebucht ist schon bevölkert. Der Regenguss hat kaum Hitze weggespült. Allerdings machen paar Grad viel aus. Wenn‘s statt 34 nur noch 29 Grad ist, läuft‘s besser. Über die Staustufe vor dem Zentrum wechseln wir auf eine der beiden Wöhrde, Inseln, die sich in der Donau gebildet haben. Die Landzunge im Wasser ist bebaut, kann normal befahren werden, und wir landen auf der seitlich anzufahrenden Steinernen Brücke, können übersetzen auf den oder das oder die, man weiß es nicht, zweiten Wöhrd. Die Ausblicke sind wirklich wunderschön. Getragen von den uralten Torbögen radeln wir zwischen Menschengruppen hindurch. Keiner stört sich daran. Es fällt ohnehin auf, dass man hier wirklich überall mit Rad unterwegs sein kann, egal ob Einbahnstraßen oder Fußgängerzonen. Die Fußgänger achten, die Radfahrer ebenfalls. Alles läuft stressfrei ab, alle kommen aneinander vorbei. So auch jetzt auf der Brücke und beim Befahren der mit bunten Häusern gesäumten Hauptstraße auf der Oberen Wöhrd, an deren Ende wir größere Flussschiffe in einem schmalen Schleusenkanal sehen. Wir treiben es und uns auf die Spitze, drehen eine Runde, Chianga läuft etwas in leichtem Trab und mit sicherem Abstand zur Donau auf dem Damm mit bis zur Brücke.
Und dann haben wir die Postkartenansicht der Stadt Regensburg. Das Licht ist seltsam, hinter uns Bayerisch Blau-Weiß und Hochsommerfarben, vor uns leicht verhangen mit einem Hauch Herbst. Das schadet den historischen Bauwerken nicht, irgendwie strahlen sie noch mehr Mittelalterlichkeit aus und wirken wie auf Leinwand gebannt. Durch einen von ursprünglich drei Wachtürmen hindurch fädeln wir uns ein in den Besucherstrom.
Was uns da erwartet ist sehenswert in dieser Stadt, die als römisches Heerlager vor 2.000 Jahren begann, sich dann zum Manhattan des Mittelalters entwickelte. Der Fernhandel auf der Donau spülte immensen Reichtum in die Stadt. Die "Wolkenkratzer des Mittelalters" entstanden, einer nach dem anderen. Die Stadt blühte auf und wurde zur "Megacity". Das Glück kam dann noch hinzu, denn die Weltkriegsbomben verschonten die Altstadt. Deshalb kann man heute die besterhaltene mittelalterliche Großstadt Deutschlands erleben mit über 1000 Denkmälern. Zwischen alledem bietet sich aber Vieles zum Schmunzeln, sei es wenn es um Strudel und Brezeln geht oder um stramme Waden, die mit festem Tritt irgendein Ziel verfolgen. Die Inderin ist es nicht. Sie schreitet unbeeindruckt vorbei.
Schon von Weitem fällt einem der imposante 55 m hohe Turm des Alten Rathauses auf, das man 1245 errichtete, als Regensburg zur Freien Reichsstadt erhoben wurde. Fast 150 Jahre war Regensburg der Mittelpunkt Europas, da hier seit dem 17. Jahrhundert der Immerwährende Reichstag stattfand. Der Reichstagssaal gilt als Vorläufer der deutschen Parlamente, der Europäischen Union und sogar der UNO. Wahrscheinlich war das Alte Rathaus in Regensburg zu der Zeit das wichtigste Gebäude Europas. Kaiser und Könige, Gesandte und Minister gingen tagtäglich im Reichssaal ein und aus. Und man kam gerne hierher und verweilte liebend mit Freude, wie man sich erzählt. Schaut man nämlich durch den Durchgang am Alten Rathaus, erblickt man ein rotes Haus mit Adresse „Roter Herzfleck“. Der Straßenname stammt, wie viele in Regensburg, von einem Gasthof. Das Wirtshaus „Zum Roten Herzen“ war zeitweise ein Bordell. Angeblich soll die Nähe des Bordells zum Alten Rathaus und den Ratsherren kein Zufall gewesen sein. Heute ist, was uns wirklich zum Lachen bringt, das „Amt für Organisation und Personalentwicklung“ beheimatet. Personal wurde offensichtlich gut entwickelt, denn Damen des horizontalen Gewerbes konnten nicht gesichtet werden.
Die Auslagen der kleinen Läden in den folgenden Gassen, die zum Haidplatz führen, werden feiner. Kunst und teure Landhausmode ist schön ausgestellt. Der Haidplatz ist einer der ältesten und schönsten Plätze in Regensburg. Im Laufe der Jahrhunderte entstanden hier prächtige Gebäude. Die Mächtigen der Mächtigsten vergnügten sich hier. Kaiser Karl V., König Ludwig I., Kaiser Wilhelm I., Kaiser Franz Josef waren Stammgäste in der noblen Herberge „Goldenes Kreuz“. Auf diesem Platz fanden große Ritterturniere mit bis zu 300 Teilnehmenden statt und von überall her kamen die Zuschauer, Gaukler und Händler. Seit alters her feiern die Regensburger rauschende Feste auf dem Haidplatz. Ein skurriles Beispiel konnte ich in irgendeinem Faltblatt lesen: Im 17. Jahrhundert versuchte ein bekannter französischer Chirurg als Festattraktion, den Platz auf einem Drahtseil zu überqueren. Erschwerend hatte er sich am ganzen Körper mit Feuerwerkskörpern behangen. Er stürzte ab, es war dramatisch, denn sein Absturz war begleitet von der Explosion sämtlicher Geschosse. Schlagzeilen waren ihm sicher. Wäre heute nicht anders.
Glücklicherweise sticht die Sonne nicht besonders heiß vom Himmel. In den alten Gassen lässt es sich ertragen. Man hat auch genug zu bestaunen, ob es um Hanf im Glück, Streublümchenkleider oder bunte kreative Stadtgestaltung geht.
In anderer Richtung findet sich in noch schmäleren Gängen und Gassen viel Kurioses und außergewöhnliche Gestaltung der Schaufenster. Wohltuend ist, dass all der touristische China-Kram keinen Einzug gehalten hat, jedenfalls nicht auffällig.
Zeit für eine Pause. Einkehren können wir dem Dom gegenüber in einem Wirtshaus, da gerade ein passender Tisch im Schatten frei wird. Alles auf der Speisekarte klingt lecker. Wir müssen einen Moment in uns hinein horchen, wonach uns gelüstet. Wim nimmt die „Regensburger blaue Zipfel mit Meerrettich und Krustenbrot“. Mir steht nach Süßem der Sinn, spätestens als ich „Kaiserschmarrn“ lese. Alles ist richtig lecker. Bespaßt werden wir von einer Gruppe junger Männer mit ihrer tollen Streetdance-Performance. Eine Hochzeitsgesellschaft nebst Brautpaar können wir beim Einzug ins Wirtshaus visuell begleiten und ansonsten natürlich die Umgebung beobachten. Auf der Suche nach dem WC im 1. Stock des uralten Gebäudes aus dem Jahr 1613 schau ich mich natürlich mal um. Kein Mensch weit und breit, ich kann mir etwas Zeit lassen, mir die verschiedenen Räume anschauen. Wer hier wohl schon alles gefeiert hat … wenn die Wände erzählen könnten.
2.000 Jahre Geschichte sind in der Welterbestadt Regensburg zu Stein geworden, Spuren, die wir auf der Rückfahrt in Domnähe am Beispiel der römischen Porta Praetoria finden. Ein kleiner Rundgang folgt und es geht zurück zum Womo. Morgen … ja was wird morgen sein …
Aber ehe ich es vergesse, will ich noch eine interessante und eine witzige Besonderheit in Regensburg erwähnen: die Schilder und das Schwammerl.
Diese seltsamen, bunten Schilder, die einem häufig begegnen, was bedeuten sie? Bei den Tafeln handelt es sich um ein Kunstprojekt, das 1995 zum Jubiläum „750 Jahre Reichsfreiheit der Stadt Regensburg“ von der Malerin und Grafikerin Maria Maier verwirklicht wurde. Die Schilder bilden den Grundriss ausgewählter Gebäude und Orte in Form von Piktogrammen ab. Insgesamt findet man 76 Tafeln zu 10 Themengebieten in der Innenstadt.
Und dann dieser eigentümliche Kiosk in Form eines Fliegenpilzes: „Das Schwammerl“. Dieser kuriose Kiosk ist Kult in Regensburg, und er ist denkmalgeschützt. In den 1950er Jahren enstanden in Süddeutschland die sogenannten „Milchpilze“. Durch die auffälligen Kioske mit Wiedererkennungseffekt sollte der Milchabsatz gesteigert werden. Da Alkohol erst ab 21 Jahren erlaubt war, erfreuten sich Milchbars großer Beliebtheit. Fragt man ältere Regensburger nach dem Milchpilz, bekommt man schnell eine Geschichte erzählt, von leckerer Sahne in einer Waffel zum Beispiel oder von Schokoladenmilch und der Jugendliebe. Der erste Kiosk wurde 1952 in Bayreuth aufgestellt. In Regensburg steht die Nummer 38. Heute sind noch acht Pilzkioske in Betrieb. Einer davon in Regensburg.