von Oberloiben nach Wien

21.08.2024 Mittwoch

Schon in der Früh muss es bei Kreuzfahrtens das Kommando „Leinen los“ gegeben haben, denn ein Dampfer nach dem anderen dampft an uns vorbei. Die Passagiere haben sicher Wien hinter sich und freuen sich vermutlich auf ein beschauliches übersichtliches Dürnstein. Wir haben Wien vor uns. Was es wohl bringen mag? Große Städte sind immer aufregender als Landpartien. Solange die Aufregung aber im Bereich „anregend“ bleibt und sich nicht nervig bemerkbar macht, ist ja alles im grünen Bereich. Gut 90 km haben wir heute abzureiten. Ein Blick zurück auf die rasant fließende Donau, durch Krems hindurch, und es geht bei nieselnder Wetterlage auf die Autobahn. Go Box go! Schon bald setzt das fröhliche Piepen der kleinen orangefarbenen Box ein. Wir jubeln, zeigt es uns doch an, dass sie lebt, wir erkannt wurden und nun abkassiert werden bzw. dass man sich am aufgeladenen Guthaben bedient nach Lust und Laune. 

Das Land ist nun tellerflach. Wir müssen immer Richtung „Ölhafen“. Klingt fies, aber der auserkorene CP Neue Donau liegt ziemlich zentral und mit etwas Grün. Leider konnte man das vom SP Wien nicht sagen, daher habe ich mal wieder einen CP im Programm heute. Leicht anzusteuern ist er, ziemlich auf direktem Weg ohne Stadtgewusel. Ein minimaler Anstieg, und wir stehen schon an der Rezeption. Ich schnappe mir gerade Pässe und Geldbeutel, da bremst schon ein Mann seine Elektrokarre neben uns ab. Ob wir reserviert hätten? Ich fall vor Empörung fast aus der Tür. Nein, Reservierung sei ja lt. einem Telefonat nicht möglich, „man habe immer Platz“, so die Auskunft vom 05.08.. Und nun her mit einem solchen. Ja, das sei so eine Sache, wir sollen mal durchfahren und gucken, es könnte noch was frei sein. Könnte könnte könnte … voll voll voll. Aaaah, aber um zwei Ecken rum können wir noch eine Lücke erhaschen, aber knapp, sehr knapp, denn der Alkoven-Bürstner, uns entgegen kommend, schmeißt schon fast während der Fahrt seine Stühle in Art eines Sonnenliegenreservierungsstrandlakens in den leeren Raum, ist aber, im Gegensatz zu uns, leider leider in weniger guter Position zum Einparken in den ersehnten Freiraum. Wir parken ein, und wir stehen. Nichts geht mehr, außer Planung Wien. 

Nach einem ausgiebigen Kaffeepäuschen in aller Ruhe steht der Plan. Wir knöpfen uns von Prater-Seite Wien vor. Zugriff! Auf die Räder, fertig los. Und das wird speziell. Vorweg: Solch außergewöhnliche Radstrecken hatten wir bisher noch nie. Es fängt schon damit an, dass wir, vom CP kommend, nach paar Metern keinen Radweg mehr haben. Sowas ist dann schwierig, wenn man unter zig Straßen und AB-Kreuzen rumturnt und einige Brücken erklimmen und überqueren muss. Irgendwo taucht ein Wegweiser für Radfahrer auf. Und dem vertrauen wir, was sich zu lohnen scheint. Nach etwas Gekurve immer den Pfeilen nach schwingt sich der Radweg in ein kreisrundes großes Eisengerippe, eine Art Spirale, ein Hamsterrad für Radfahrer. Nach oben führt die Fahrspur, und vier Kreiselrunden später sausen wir unter einer Bedachung über die sich weit spannende Brücke über die sehr breite Donau. Kleine Boote ducken sich wie Küken ans Ufer mit einigen Hochhäusern im Rücken. Von einer Wasserskianlage werden etliche Sportliche, die wie Playmobil-Männlein wirken, bestens bespaßt. Und von Brücken muss man auch irgendwie wieder runter. Und auch an dieser Stelle wurde das Problem durch Radweg-in-Spiralführung gelöst. So fahren wir nun 4 Kreise nach unten. Aufpassen muss man, denn es gibt Gegenverkehr im Hamsterrad, und die Fahrspur ist nicht breit. Verreißen darf man nicht, schön konzentriert und geschmeidig im Sinkflug bleiben. Es geht alles gut, und wir erreichen die Prater Hauptallee. Nach links ab knöpfen wir uns das erste Drittel der prächtigen schnurgeraden Allee vor, an dessen Ende wir auf das „Lusthaus“, ein besonders bevorzugtes Nobelrestaurant aus der Kaiserzeit zusteuern. Leider hat es heute geschlossen. Ein Blick auf die aushängende Speisekarte zeigt, dass man auch mit weniger Verdienst als dem eines Kaisers einkehren könnte. 

Nun liegt die komplette Allee des Praters vor uns. Viele Menschen begegnen uns, radeln, joggen, spazieren oder sind zu Pferd unterwegs. Es riecht schon gewaltig nach Herbst. Einige Kastanien und Platanen haben schon sehr viel Laub abgeworfen. An einer Stelle stehen Rohre, aus denen Sprühnebel schießt, vermutlich als Abkühlung bei der Hochsommerhitze gedacht. Knapp 5 km lang ist diese Allee. Das ist wirklich lang, wobei man das auf dem Rad nicht realisiert. Es rollt einfach so dahin mit einem. Zahlreiche Sportanlagen grenzen an, auch bald Straßencafes, die gut besucht sind. Und dann guckt es irgendwo raus über die Baumwipfel: das Riesenrad. Seit 1897 steht es hier und war damals eines der größten der Welt. Wir verlassen kurz die Allee und schauen uns den Riesenrummel an. Das ist schon ein Paradies für Kirmesfreunde. Überall Halligalli und Popcornduft. Flott verschwinden wir wieder am nächstmöglichen Ausgang, haben schöne Sicht auf das Riesenrad und damit das Ende der Prater Hauptallee erreicht. 

Wir halten uns links und fahren über die Brücke über den Donaukanal auf die Hundertwasser-Promenade ins Weissgerberviertel. Hier finden wir in der Kegelgasse die von Hundertwasser umgestaltete ehemalige Reifenfabrik. Immer wieder phantastisch, seine phantasievollen bunten Ideen und Gestaltungen zu betrachten und die Gegensätzlichkeit zum Umfeld zu bestaunen. Das letzte Mal, dass wir Bewundernswertes von ihm gesehen haben, war in Magdeburg auf unserer Rückreise aus dem Baltikum, lange ist es her. 

Und Magdeburg kommt auch in Erinnerung beim Durchfahren der Straßen in diesem Viertel. Die Häuser sind enorm riesig, die Fassaden unglaublich aufwendig gearbeitet und hier in den Bereichen, die wir gerade sehen, tadellos und wie poliert, als hätten die Maler und Stukkateure gerade erst die Gerüste abgebaut. Es ist ja erst nur ein winziger Eindruck einer Stadt, der man große Schätze nachsagt. Wir werden 2 Tage lang sehen.

Für heute ist erstmal genug. Rund 20 Kilometer sind wir geradelt. Man bedenke, wir haben schon den Prater gesehen, das Riesenrad, etwas von Hundertwasser, Klimt und seinen Kuss an mehreren Stellen, die schöne Sissy, den Mozart samt Kugel, einen Fiaker und ein Lusthaus. Eigentlich könnten wir schon abreisen. Aber nein, es fehlt auf alle Fälle das Schnitzel unter den Schnitzeln und/oder ein Backhendl. Oder sonstiges Leckeres, da gibt‘s ja einiges. Und auf solch einer Tour durch eine Stadt müssen eben die Hotspots abgearbeitet werden. Da hilft kein Jammern. Da sind wir jetzt aber mal ganz Touri. Und über die abenteuerlichen Radwege geht es zurück zum CP, der jetzt das Schild „full“ in die Einfahrt gestellt hat. Wir können noch draußen am Womo sitzen und hören der Musik zu. Ja, vom Stadion gegenüber schallt es zu uns herüber, und einem großen Polizeiaufgebot an allen möglichen Stellen im Prater mit Menschenansammlungen, die sich Richtung Stadion trollten, sind wir ja eben begegnet. Und Wim googelt. Und man glaubt es kaum: Coldplay is in the house. Nun höre ich hier das geniale Konzert mit Abstand nochmal, das ich vor kurzem mit meinen Söhnen in Düsseldorf besucht habe. Nicht zu glauben! What a day! Und einen Regenbogen gibt‘s als Bonus noch oben drauf. 

22.08.2024 Donnerstag

Ich sag mal so: Bauklötze haben wir keine mehr, unser Vorrat war zwar riesig, aber wir haben sie heute komplett verballert bzw. verstaunt sozusagen. Was ist das bitte für eine wahnsinnige Stadt. Da kannst Du nicht nur an jeder Ecke Bauklötze staunen, nein, auf jedem Meter. Und das waren heute viele viele Meter. Vom Display am Rad hab ich es nicht abgelesen, aber letztlich sitzen wir über 6 Stunden im Sattel und fallen abends am Womo aus selbigem, als wären wir nach Laramie geritten. Die Sonne putzen brauchten wir zwar nicht, denn wir sind froh, dass sie sich tagsüber meistens zurück und schön bedeckt gehalten hat.

Heute, liebes Reisetagebuch, wird jedenfalls nicht viel geschrieben. Alles über Wien und seine Sehenswürdigkeiten weiß Google ohnehin viel besser. 

Nur so viel: Die Stadt lässt sich prima per Rad entdecken. Etwas erfahren sollte man allerdings sein, Stadtverkehr darf einen nicht ängstigen. Vieles Sehenswerte erreicht man sehr gut bzw. automatisch, wenn man der knapp 6 km langen, zum Weltkulturerbe gehörenden Wiener Ringstraße folgt. Es ist ein Spektakel, ein bombastisches Erlebnis, dem wir uns morgens zunächst mit einer lockeren Tour über die Donauinsel mit hypermoderner zur Rechten und historischer Skyline zur Linken nähern.

Dann mal auf ins Zentrum und ins Stadtgetümmel. Wiens Straßen, Gassen und Gässchen, Plätze und Plätzchen, gespannt sind wir schon sehr.

Am Donaukanal entlang stoßen wir zufällig und glücklicherweise auf die Wirkungsstätte der StreetArt-Künstler. Wir mögen diese spannenden „Ecken“. Und schätzen es, wenn Städte auch Räume für „neue Wilde“ lassen. 

Über den Donaukanal hinweg starten wir dann die Ring-Runde am Schottenring, also entgegen dem Uhrzeiger.

Der am Weg liegenden wunderschön fragilen Votivkirche statten wir natürlich einen Besuch ab.

Es folgt der Universitätsring mit Universitätsgebäuden.

Dann kommt der K.-Renner-Ring mit Rathaus und Parlament.

Am folgenden Burgring liegen die historischen Museen und der Maria-Theresien-Platz, gegenüber die Hofburg, die uns im großen Getümmel durch die Lappen geht, was wir erst abends feststellen. 

Weiter geht‘s auf dem Opernring mit der Staatsoper und einem kurzen Schwenk nach rechts über den vielfach als besondere Besonderheit für Wien genannten Naschmarkt, der uns überhaupt nicht gefällt.  

Auf dem Kärntner-Ring geht’s weiter, wir vergessen blöderweise rechts die Karlskirche, radeln stattdessen weiter über den Schubertring, nehmen die Ausfahrt Stadtpark und landen zielstrebig in der Meierei, um den im Netz gepriesenen Kaiserschmarrn zu ordern und zu verzehren. Ein Gedicht!

Von hier aus gelangen wir über die Kleine Ungarbrücke und die Zedlitzgasse schnurstraks zum „Steffl“, wie die Wiener ihren Stephansdom liebevoll nennen. Mitten im Kern liegt der Dom. Drumherum herrscht großstädtisches Gewusel. Zwischendurch ziehen Pferde Kutschen. Ja, die berühmten Fiaker. Ja, Tradition usw. usw.. Ich mag es nicht. Die Pferde sehen wenig begeistert aus, und heute ist es nicht mal so brüllend heiß wie in den letzten Tagen. Die Pferdchen tun mir leid. Ich weiß, Mitleid hilft auch nicht weiter … aber evtl. auf Kutschfahrten verzichten, wäre eine Option. Außerdem stinkt es gewaltig nach Pferdehinterlassenschaften. Der Duft staut sich zwischen den engen, hoch aufragenden Häuserzeilen. Man scheint den Mist wohl mit Wasser immer mal wegzuspülen, aber aber aber. Ach ja … ich flute ziemlich kurz mal mit der Masse in den Dom, kann ihm allerdings nicht viel abgewinnen, weder von innen noch von außen, wobei die gläserne Fassade des modernen Gebäudes am Domplatz mit den Spiegelungen des Doms fasziniert und die Blicke bannt. Ein Highlight. 

Nach Jonglieren durch die Gassen des anschließenden, sehr belebten Viertels kommen wir irgendwo wieder Richtung Prater. Man versteht schlagartig, was der riesige Grüngürtel, wie man sowas in Köln nennt, den Wienern bedeutet. Eine Oase, eine grüne Ader, oder wie Wim sagt: die Aorta. Ein Raum zum Aufatmen. Sofort fällt Stadtspektakel von einem ab, man gleitet einfach so dahin durchs Grün. Natürlich nur, bis die Polizei, die wieder knubbelweise die Lage sichert, einen kurz umleitet aus gegebenem Anlass, nämlich wieder Coldplay am Abend. 

Über die Brücke radeln wir wieder über die Donau, finden den Einlass ins Hamsterrad, dessen Nutzung mittlerweile viel Spaß macht, und kommen zum Womo zurück. 

Heute steht der Wind aber scheinbar anders, vom Stadion weht nichts herüber zu uns, nur das kräftige Abendrot ist zu sehen, still und leise. 

23.08.2024 Freitag

Selbstverständlich bleiben wir noch in Wien. Einen Tag wollen wir uns noch all dem Phantastischen widmen, ganz besonders dem, was wir in unserem Eifer einfach übersehen und vergessen haben. Allerdings gehen wir den neuen Sightseeing-Tag in Ruhe an und starten am späten Vormittag bei gewienertem (den Ursprung dieses Wortes muss ich später mal ergründen) blauen Himmel und heißem Sonnenschein. Über die schon gewohnte Route fahren wir der blitzeblauen Donau entgegen und drüber hinweg. Im Prater amüsiert Chianga sich eine Runde im hohen Gras, sie liebt es sehr, aber wegen ihrer entzündeten Kralle muss sie sich einfach schonen. Am Ernst-Happel-Stadion biegen wir nach links ab, verlassen den Prater und gelangen über die Stadion-Allee in ein Viertel mit Wohnhausbebauung in Art Genossenschaftswohnungsbau, wie man das aus Deutschland kennt: „Volkswohnhaus errichtet von der Gemeinde Wien in den Jahren 1928 und 1929“ steht in großer Schrift mehrfach auf den Hauswänden. Die nächste Adresse müssen wir uns merken. Wer weiß, wie der heutige Fahrradritt verläuft bzw. mit welchen Folgen: „Ihre Fachklinik für den Bewegungsapparat“ ;-). 

Noch funktioniert er, der Bewegungsapparat, die „Einschränkungen“ am Morgen spürt man im Sattel nicht, beim Absteigen sieht es gelegentlich anders aus. Egal, wir schlängeln uns durch radweglose Vorstadtstraßen mit Ziel Schloss Belvedere und umfahren den hinter einer hohen Mauer liegenden Botanischen Garten der Universität Wien. 

Und dann hat man auch schon für uns die Flaggen gehisst, rechts ums Eck, durchs Gürtel-Tor, und die barocke Pracht liegt hier hinter dem „Großen Bassin“ im sogenannten „Oberen Belvedere“ vor uns: Schloss Belvedere. 

Ein Stück weiter gelangen wir an die andere Seite des Schlosses, das wegen Fassadenarbeiten verhüllt dasteht. Die Firma Strabag, Abteilung „Steinerne Schönheiten im Tierkörper“, hat ebenfalls hier zu tun. Der Blick nach unten geht über den Terrassengarten aus dem 18. Jahrhundert mit Kaskadenbrunnen und Muschelbrunnen zum „Unteren Belvedere“. Die Aussicht ist spektakulär, die Gartenanlage weniger. Da ist aber jeglicher Glanz vergangener Jahrzehnte verblasst. Und Wim wendet sich ab, und sein Gärtnerherz weint bitterlich … und meines gleich mit.

Und weiter geht die wilde heiße Fahrt an Botschaften vorbei bis zum Hochstrahlbrunnen mit Soldaten-Denkmal und dahinter liegendem Palais Schwarzenberg.

Nur kurz links rüber durch die Kreuzherrengasse, und wir erblicken schon oben über den Hausdächern die Kuppel der Karlskirche. Durch ein Tor gelangen wir auf den Karlsplatz. Die obdachlosen Menschen dort liegen zu sehen tut weh. Wir schauen uns das imposante Kirchengebäude mit seinen verschiedenen Baustilen längere Zeit von außen an.

Im Inneren fehlen einem die Worte. Man steht in einem der großartigsten religiösen Räume der Welt.

Eine der Besonderheiten ist ein modernes Kunstobjekt, das unweigerlich zum Nachdenken anregt. Abgehängt von der Kuppeldecke fällt einem quasi eine von einem britischen Künstler eigens für die Kirche entworfene Skulptur entgegen. Die Installation wiegt über eine Tonne, ist 25 x 15 m groß und aus 350 einzelnen Glasformen mit insgesamt 700 m Neonröhren zusammengesetzt. Im Grußwort zur Eröffnung des Kunstwerks im Januar 2024 kann man sich einigen aufschlussreichen Gedanken anschließen.

Jetzt muss mal verschnauft werden. Von einer schattigen Mauer aus beobachten wir die Geschehnisse auf dem Karlsplatz. 

Auf dem dahinter liegenden Opernring grüßen wir den rechts im Sessel ganz lässig herumlümmelnden patinagrünen Goethe und fahren vorbei an der Wiener Staatsoper, eines der besten Opernhäuser der Welt, in dem zahllose internationale Superstars ihr Bestes gegeben haben und noch geben werden.

In unmittelbarer Nachbarschaft strahlt uns im Burggarten das Mozart Denkmal entgegen, und wir sehen einen Teil dessen, was sich uns einige Minuten später in voller Größe und Pracht eröffnet.

Es ist einer der weltgrößten Palastkomplexe, die Wiener Hofburg. Früher Residenz der kaiserlichen Familie, beherbergt sie heute Museen und dient als Kongresszentrum. Die Aussicht über Heldenplatz und Volksgarten zum Rathaus und zum Burgtheater hin ist gigantisch. 

Die folgenden, sehr stark von elektrisch betriebenen Oldtimern, Pferdekutschen und Besucherströmen gefluteten Gassen lassen ahnen, dass es hier wirklich in jedem Gebäude etwas zu entdecken und Geschichtsträchtiges zu sehen gibt. Es erschlägt einen. Und Chianga steigt erstmal an der Spanischen Hofreitschule aus ihrer Senfte aus und schreitet zum Brunnen, Wasser fassen, nie verkehrt. 

Gestärkt geht es weiter. Für uns muss auch eine Stärkung her. Es dauert aber ein wenig, bis wir durch schöne Einkaufssträßchen über den Neuer Markt und die Kärntner Straße unserem Ziel näher kommen, nachdem wir uns bei Gluthitze an den Schaufenstern der feinen Läden mit neuer Herbst-/Winter-Kollektion die Nasen plattgedrückt haben. Nicht für Geld und gute Worte würde ich mir jetzt so einen wolligen Pullover probeweise überziehen lassen. Ein Gedanke, der sofort ein abartiges Gefühl und Gänsehaut auslöst. 

Nach rechts abgehend finden wir die Weihburggasse. Meine Söhne, die schon häufiger Wien besucht haben, der Älteste sogar mal mit einem Düsseldorfer Gastro-Kenner, rieten: „Mama, uuuuunbedingt müsst ihr ins Gasthaus Pöschl, uuuunbedingt!“ Es sei unscheinbar, biete aber unglaublich leckere typische Gerichte. Dann wollen wir mal unser Glück versuchen, Mama ist ja folgsam. Unklar ist, ob es eine Außenterrasse gibt, wohl eher nicht, da in den Gassen kaum so etwas zu finden ist, es gerade mal Parkstreifen für PKW an den Bürgersteigen gibt. Und schon erscheint der Ort der Begierde: Gasthaus Pöschl. Kurze Nachfrage, ob Chianga mit rein darf, wird freundlich bejaht, Wim sichert Rad+Hänger-Knubbel im Halteverbot, und hinein in die klimatisierte Gaststube. Nur wenige Tische sind belegt, was sich aber direkt, nachdem wir sitzen, ändert. Da haben wir nochmal echt Glück. Todesmutig setzen wir uns der Gefahr eines Platzens aus, bestellen und verzehren köstliche Backhendl mit typischem Gurken-Kartoffel-Salat und zur Krönung Kaiserschmarrn mit Zwetschgenröstern für mich und Zwetschgenknödel für Wim. Dazu ein im Abgang unendlich frisch wegzischendes Bier, und wir haben fertig. 

Geradeaus führt uns der Weg zum Parkring, am Stadtgarten vorbei, dann über den Stubenring am Museum für Angewandte Kunst, am Ministerienbrunnen und dem Radetzky-Denkmal vorbei.

Unten am Ring-Ende und Knotenpunkt an der Urania Sternwarte herrscht sehr starker Verkehr. Wie gesagt, etwas erfahren und vor allem entschlussfreudig sollte man seinen Drahtesel im Verkehr mitlaufen lassen können. Zögern straft sofort ab. Eine gewisse wilde Entschlossenheit im Blick zahlt sich aus, und vornehme Zurückhaltung ist bei aller Menschenfreundlichkeit nicht ratsam, führt nur zum häufigen ungewünschten Absteigen und Wieder-eingliedern-Müssen in den fließenden Verkehr. Es läuft alles bestens. Und dennoch sind wir mit Aufatmen froh, über den Donaukanal hinweg schnell wieder ins Waldbad eintauchen und die Prater Hauptallee abradeln und letzte Blicke auf die Riesenradgondeln zwischen den Baumkronen riskieren zu können. Ein wirklicher Genuss nach dem anstrengenden Gassenfahren. Aber gerade in der Verschiedenartigkeit liegt doch die Spannung, der Reiz, der soviel Freude bringt. Und dem tief unten im beneidenswert frischen Donaublau dümpelnden weißen Schwan schicke ich ein „Mein lieber Schwan, welch ein Tag“, bevor wir uns ein letztes Mal im Hamsterrad nach unten zurück zum Concördchen schwingen. 

24.08.2024 Samstag

Auf unserem Areal sieht es wohl sehr aufgeräumt aus. Schon früh morgens klopft eine Mitcamperin an, um nachzuhören, ob der Platz gleich frei würde. Er wird, aber noch nicht so bald. Unser nächstes Ziel liegt in gut 50 km, wir können uns daher Zeit lassen. Ein großes Gewechsele geht los, die einen fahren, die anderen krallen sich die frei werdenden Lücken. Vor dem CP parkten jeden Tag viele Freizeitfahrzeuge eng aneinander in der Hoffnung auf Einlass. Im hinteren Teil auf einem PP für PKW standen ebenfalls Womos eng aufgereiht. Man sollte diesen CP also möglichst vor 12 Uhr anfahren, um eine kleine Chance zu haben. Reservierung scheint wohl möglich, wie schon zu Beginn geschrieben. Bei Anruf ggf. hartnäckig bleiben und ggf. einen Luxus-SP reservieren, wenn man die Jagd nach einer freien Lücke nicht mitmachen möchte. Aber irgendwann rollen wir über die Stephansdom Straße und verlassen den CP. Die vielen in Farbe reifer sizilianischer Zitronen gestrichene Häuser machen den sonnigen Tag noch sonniger. Zum Glück können wir ihn mit Fahrzeug-Klimaanlage genießen, durchfahren das ohnehin kühler wirkende Hochhaus-Viertel und über die leuchtend blaue Donau hinweg, an deren Ufer viele Kreuzfahrtschiffe liegen, nach Budapest fahrend oder von dort kommend. 

Was der Tag bringen mag ? Direkt schon mal die Erkenntnis, dass unsere Tour zurecht den Namen „Blaue Donau“-Tour trägt. Und die Gewissheit, dass wir sehr viel vom beeindruckend schönen Wien gesehen haben, dass wir aber mindestens genauso viel nicht gesehen haben. Reiz genug, zu passender Gelegenheit etwas nachzuholen. Die Museen müssten besucht werden, ein Konzert ebenfalls, kulinarisch gäbe es noch manches zu probieren, in einem alten Cafehaus Zeit zu verbringen. Ach ja … trotzdem fahren wir zufrieden über den Handelskai den neuen Zielen entgegen, schön wird‘s sicher, wie auch hoffentlich bei den Paaren vor uns, die eine kleine Lusttour möglicherweise in die Wachau unternehmen. Wir hingegen peilen den Wienerwald an.