19.08.2024 Montag
Eine richtig ruhige Nacht liegt hinter uns. Dreisamkeit am Rande eines Fußballfeldes tut hin und wieder sehr gut, obwohl ich mich nicht erinnern kann, jemals an einem Fußballplatz übernachtet zu haben. Aber man liest es oft von anderen. Oder auch diese Friedhofsübernachtungen, uiuiui so gar nicht unser Ding, da wird man noch früh genug schlafen gelegt. Es nieselt, es regnet, es gießt. Als wir unser Nachtlager verlassen, fällt es nur noch leicht vom Himmel, aber alles ist sehr diesig. Wieder geht es an der Donau entlang. Heute stehen rund 100 km an, die sich schon direkt ziehen, da unsere Route quer durch Linz führt. Aber scheinbar leben hier nicht viele Menschen bzw. sie bleiben bei dem Wetter zuhause, denn es ist überall sehr leer. Wir kommen ungestört durch, vorbei an zahlreichen Baustellen und altem und modernem Baubestand. Es wirkt heute wie Herbst. Die Platanen haben die Nasen voll, sie werfen schon mal reichlich Laub ab. Auch gestern konnte ich auf meinen Fotos der Donauwälder schon gut erkennen, dass sich Farben ins Laub schleichen. Ja, es könnte ein Tag im November sein, als wir an den Gleisanlagen entlang die Stadt Linz verlassen.
Da wir mautfrei fahren, lotst uns Navi-Rüdiger aber mal so richtig über Land. Schmal und schmaler werden die Straßen, Nummerierung zwei- bis vierstellig. Aber so ist es halt im malerischen Land der Mostbirnbäume im westlichen Niederösterreich. Und obwohl - oder gerade weil - die Landschaft dunstig verhangen ist, die Konturen verschwimmen, man die prächtigen Vierkant-Bauernhöfe in der Ferne auf ihren Hügeln schlecht erkennt, erinnern mich manche Ausblicke an die Toskana. Das liegt evtl. an den Birnbaumzeilen, die sich durch das sanfte Hügelland ziehen. Zur Zeit der Blüte dieser knorrigen Bäume wird es ein wunderschöner Anblick sein. Sollte man sich mal merken. Denn wo Mostbarone zu Hause sind, kann es nur gut sein, auch wenn so nur die Experten für echte Mostviertler Mostkultur bezeichnet werden und sie vermutlich nicht alle eines Barons würdig residieren. Allerdings musste ich erstmal genau „Most“ googeln. Wir sind nämlich hier in diese Gegend einfach so reingeschliddert. Most ist ein Obstwein, also ein vergorener Fruchtsaft, üblicherweise aus Äpfeln oder Birnen. Er wird im Herbst produziert, wenn die Früchte – meist Birnen – geerntet, gewaschen, in Mühlen zerkleinert und gepresst werden. Der Saft gärt dann bis zu sechs Wochen, wird gefiltert, in Flaschen gefüllt oder direkt ausgeschenkt. Na dann „G‘sundheit“, denn Mosttrinker sagen nicht „Prost“. Es erklärt sich daher auch, warum uns die Birne unterwegs häufig begegnet, womöglich auch, woher der Ausspruch „einen in der Birne haben“ kommt ;-).
Gut und problemlos finden wir unseren heutigen SP. Die Gemeinde Ardagger Markt stellt einen schönen gepflegten Platz zur Verfügung, dazu V+E und Strom, und das alles kostenlos. Unfassbar freundlich! Es wird um eine Spende gebeten. Machen wir natürlich, so etwas versteht sich wohl von alleine. Einige Womos stehen schon dort. Wohnwagen ist der Zugang verboten, dennoch steht einer auf dem Platz. Einfach unverschämt. Ein weiterer Zeitgenosse mit Kawa stellt sich abseits direkt an ein Spielgerät für Kinder. Ebenso unmöglich. Manchmal kann man sich nur an den Kopf fassen.
Eingerichtet sind wir schnell, Räder raus ebenfalls. In ca. 10 km liegt nämlich das Örtchen Grein an der Donau, das wir besuchen wollen. Zum Glück hat sich der Regen verzogen, angenehm kühl ist es, eine Jacke muss sogar angezogen werden. Chianga-Mäuschen wird verladen und ab geht‘s. Gut beschildert erreichen wir den Donauradweg, kommen über eine Brücke ans andere Ufer und haben schon beste Aussichten auf unser Ziel.
Am kleinen Hafenbecken vorbei schauen wir uns erstmal alles von der Promenade aus an und fahren bis zum Ortsende. Etliche Hinweistafeln mit Fotos veranschaulichen sehr interessant, wie es früher ausgesehen hat, welche Tücken die Donauschifffahrt hatte und dass z.B. die kaiserliche Donauyacht „Adler“ mit Kaiser Franz und seiner Sissy an Bord im Jahr 1854 eine Havarie im gefährlichen Donaustrudel hatte. Es ist alles sehr gut hergerichtet und man kann einige Zeit mit dem Studieren der einzelnen Infotafeln und der Betrachtung einiger Kunstobjekte verbringen und muss oft schmunzeln.
Dann greifen wir an. Hintenrum werden wir versuchen, den Schlosshügel zu erklimmen. Es geht zunächst durch den herrlichen Ortskern. Bunt und ausgefallen sind die Fassaden gestaltet. Heute am Montag hat alles geschlossen. Schön und auch wieder nicht. Es herrscht natürlich kein Betrieb, wir sind quasi alleine. Aber etwas Leben fehlt schon, vor allem auf dem zentralen Plätzchen.
Dann wird in die Hände gespuckt bzw. das Blut in Waden und Oberschenkel gepumpt oder was auch immer. Jedenfalls geht‘s bergan. Serpentinen führen zum Schloss hinauf, das ich recht gut erreiche, für Wim mit Chianga hinten dran kostet es schon etwas mehr Mühe. Gut, dass direkt im Schlosshof eine Bank steht, auf die wir uns zum anerkennenden Beifall von zwei Wandersleuten fallen lassen können. Nicht abgekackt am Steilstück … dem Himmel sei Dank. Und jetzt wird Aussicht genossen.
An Montagen finden auch keine Schlossführungen statt. Ja, so ist es, wenn Frau Unterinformiert losgeht. Aber das macht nichts. An solchen Kleinigkeiten hängen wir uns nicht auf, prüfen vielmehr, was geht. Das große hölzerne Schlosstor z.B. hat eine Klinke. Die drücke ich. Die lässt sich sogar drücken. Und die schwere Tür öffnet sich und gibt den Zugang frei. Und ein gepflasterter Gang tut sich auf mit einem Blick durch einen Rundbogen in einen phantastischen Innenhof. Mein lieber Herr Gesangsverein. Das ist ja mal wieder eine Nummer hier. Schloss Greinburg, Österreichs ältestes Wohnschloss, wacht schon seit mehr als 500 Jahren majestätisch und mächtig über der Stadt Grein und der Donau. Mautgebühren, besondere Handelsrechte und der durchlaufende Handelsverkehr auf der Donau ließen damals die Stadt Grein florieren und begründeten den herrschaftlichen Bau des Schlosses. Da haben wir‘s mal wieder: die Maut! Ja, die herzogliche Familie Sachsen-Coburg und Gotha war gewitzt. Seit 1823 gehört ihnen das Schloss. Im Gang hängt die entsprechende Ahnentafel, die sehr beeindruckt. Dem Adelsgeschlecht entstammen die Königshäuser von England, Belgien, Portugal und Bulgarien sowie die Mutter des heutigen Königs von Schweden. Auch wenn uns nun heute die glanzvollen Festräume verschlossen bleiben, so entschädigt uns die Ansicht des Innenhofs mit seinen schmuckvollen Arkadengängen voll und ganz. Einfach wundervoll. Und wieder stellt sich die Frage, wieviele Arbeiter hier für Hungerlöhne geschleppt und geschuftet und sich abends in irgendeiner Hütte schlafen gelegt haben. Seufz …
Abfahrt angesagt. Geschwind wie der Wind schaffen wir noch eine Notbremsung vor einer Gärtnerei. Wir schauen uns die völlig zugänglichen Regale mit Blumen an. Der Laden selbst hat geschlossen. Jeder darf sich bedienen, darf einkaufen, legt das Geld in einen Kasten, 24/7. Das ist aber Vertrauensvorschuss. Aber es scheint aufzugehen, was für die Menschen hier spricht.
Jetzt aber nix wie zurück zum Womo. Inzwischen wagt sich die Sonne hervor. Das bekommt den Mostbirnen, die wir unterwegs treffen, sicher gut.
Statt nach rechts zum SP, schwenkt Wim nach links in Örtchen. Auch hier ist alles wieder so freundlich bunt und sauber. Da haben wir Glück, dass wir uns das wenigstens noch kurz angeschaut haben. Aber nun ist Ende im Gelände für heute. Ein wirklich toller Tag!