12.07.2020 Sonntag
So ein neues Womo bedeutet doch sehr viel Umstellung. Sind wir auch solche Umpackereien gewohnt, so entwickelt es sich dieses Mal doch recht schleppend. Aber wir wollten uns auch bewusst Zeit lassen, so entfällt sicher das erneute Umräumen, weil man unterwegs feststellt, dass diese Dinge doch besser vorne und jene stattdessen besser hinten untergebracht wären. Wir haben unsere „guten“ Matratzen zurecht geschnitten, das Regal in der Heckgarage umgebaut, Gardinen genäht und erst mal dekoriert und personalisiert wo möglich. Die Grundausstattung, die bis auf die Klamotten sofortige Reisen ermöglicht, konnten wir im Concördchen perfekt unterbringen. Die vielen Staumöglichkeiten in den Außenfächern, die der Arto nicht hatte, schlucken jede Menge Kleinkram, der bisher nicht wirklich gut in der Heckgarage untergebracht war und mit zunehmender Reisedauer irgendwie einen neuen unwegsamen Bodenbelag bildete. Jetzt hat Vieles einen wirklichen Platz. Ordnung in der Bude! Im Arto gab es, anders als jetzt im Concördchen, von innen 4 „Keller-Schächte“, riesengroß, darin verschwand natürlich auch einiges im Doppelboden, wie z. B. Hundefutter Sackware, aber durch erschwerteren Zugang konnten wir darin eher nicht das Alltägliche verschwinden lassen. Mit solchen veränderten Staumöglichkeiten hat man erst mal seine Aufgaben. Aber nun wandern die Klamotten ins Womo, wir planen mit Sommer, und aus dem heimischen Kühlschrank startet die Wanderung der Artikel in den Womo-Kühlschrank. Auch insoweit ändert sich etwas, denn dieser Kühlschrank fasst gefühlt nur halb so viel wie der im Arto, außerdem gibt es keinen Backofen mehr. Schlimm, schlimm, war ich doch immer ein großer Backofen-Fan. Ach ja, das Leben stellt einen doch immer vor echte Aufgaben. Aber da meine Schwester, ebenso überzeugte Womo-Camperin, auf ihren Omnia schwört, schafften wir uns natürlich auch einen an und hoffen, dass es damit in unserer backofenlosen Womo-Küche kulinarisch richtig rundgeht.
Nachdem auch noch der obligatorische Hunde-Aufkleber aufgepappt wurde, schmeißt Wim gegen Mittag den Iveco an. Ortsausgang Heimatdorf empfängt die Marienstatue im kleinen Kapellchen einen Gruß mit Bitte um Segen für eine glückliche Reise.
Bazou und Chianga sortieren sich mehr schlecht als recht im neuen ungewohnten Vehikel, wobei sich Bazou gelassener Position sucht als unser Chianga-Mäuschen. Sie hechelt ziemlich, guckt blutleer, will eher wieder raus, entdeckt dann doch ihr Kissen auf dem Boden für sich und entspannt nach und nach. Wir atmen auf und steuern zunächst über die Mosel hinweg über die AB Richtung Mannheim die Pfalz an bis hinter Kaiserslautern, dann Richtung Neustadt an der Weinstraße.
Dazwischen liegt langgestreckt von Süd nach Nord der Pfälzerwald. Hier geht es wildromantisch zu. Durch ein recht enges Tal führt die Strecke unter etlichen Unterführungen hindurch. Unser Concördchen ist höher als der Arto, da zieht man schnell mal automatisch den Kopf ein und wird steifnackig, obwohl ein Schild >4m< zu sehen ist. „Cabrio-Fahrer der Welt, versammelt Euch“ - diesen Aufruf muss es gegeben haben, denn in nicht enden wollender Schlange kurbeln sich vornehm-uninteressiert guckende Paare in blitzenden dachlosen Karossen unterschiedlichen Hubraums lässig durch‘s urige Tal, cruisen vorbei an den Laubbaumhängen, den manchmal schroffen Felsbrüchen und durch die schmalen, engen Bilderbuchdörfchen, die fast überquellen von Wanderern und Besuchern aller Art. Sonntag und Sonne, die Menschen genießen, zurecht.
Mal sehn, wo wir landen und genießen können. Ein Weingut vielleicht, Blick auf Weinstöcke, dörflich, ländlich, „nettes“ Lokal, was Typisches auf dem Teller, ein Gläschen Wein, oder zwei drei, die Sonne der südlichen Weinstraße im Glas. Und, was redet man, es klappt. In einem der zahlreichen Weindörfer quetschen wir uns an uralten Hausfassaden vorbei, Italien lässt grüßen, auch wenn stark überhängende Balkone fehlen. Unter mit Wein berankten Bögen hindurch buckeln wir über einen Schotterweg hinter ein Weingut. Im Gut selber ist die Restauration noch als Folge dieser Corona-Seuche geschlossen, aber der freundliche Winzer lässt uns unentgeltlich übernachten, sei keine Frage, und Wim kauft nach sehr liebenswürdigen Informationen einen köstlichen Rose und einen trockenen Roten. Ausgesorgt erstmal! Und da unsere letzte Reise mit Häppchen endete, wollen wir diese hier mit Häppchen beginnen lassen. Genuss im Schutz der Burg, die ein Schloss ist, das Hambacher Schloss, die Wiege der deutschen Demokratie. Und bestimmungsgemäß sorgt der frische Wind an diesem Sommerabend dafür, dass sich die seit 1832 angebrachte Fahne entfaltet und in schwarz-rot-gold flattert.
Goldig geht es weiter. Das Lokal, in dem wir einkehren, tischt sehr lecker auf. Saumagen, Leberknödel, Pfälzer Wurst auf Weinkraut und vorneweg einen Flammkuchen, klassisch. Das Hefeweizen zischt, übertönt kaum die mit gutem Corona bedingten Abstand geführte Diskussion am Nebentisch, bei der sich die Tischdame sehr darüber beklagt, dass ihr Gatte ihr nichts von seinen Pfifferlingen abgegeben habe, sie sich dummerweise für ein anderes Gericht entschieden hatte. Der Gatte rettet sich daraufhin in eine Schilderung der wunderschönen Allgäuer Landschaft, die ihm ein am Nebentisch speisendes jüngeres Paar aufzwingt, obwohl er mehrfach schon lustlos genervt betont, er komme aus der Gegend, kenne sie wie seine Westentasche, was das junge Paar nur weiter beflügelt nach dem Motto: „Aber das hier, das kennen sie bestimmt noch nicht!“ Aber auch das kennt er, kein guter Abend für den Mann, auch wenn sich seine Tischdame mittlerweile geschlossen hält. Mit dem Gedanken, dass das Fehlen der Pfifferlinge mit Sicherheit ein Nachspiel haben wird, beobachten wir, wie sich der lauschige Gastgarten langsam leert und schlendern auch wein- und weizenbierselig zum Womo zurück. Unsere erste Nacht im Concördchen steht bevor ... daher findet dieser Bericht jetzt ein jähes Ende.
13.07.2020 Montag
Zack - Morgen. Sehr gut geschlafen, gelegen wir ein Brett, alle Knochen beisammen, nix schmerzt, warm ist es, ansonsten wunderbar. Wim brüht den ersten Kaffee, findet auf Anhieb alle Utensilien trotz ungewohnter Plätze. Frühstück fällt knapp aus. Die Weiterfahrt lockt. Wir wollen noch, bevor wir morgen zu Stäbler wegen Gastank-Prüfung fahren, einen anderen SP ein paar Dörfchen weiter besuchen. Wieder schlängelt sich die Route mitten durch die Ortschaften hindurch, Blumenschmuck in Hülle und Fülle, fast jedes Haus wunderschön, alles so lauschig und extrem sauber.
Am Dorfrand steuern wir einen Schotterplatz an, sehr schön direkt in den Weinfeldern, der Blick kann weit schweifen hinab ins Rheintal. Ein Womo steht dort, und tatsächlich ein Concördchen, exakt unser Modell, wobei die sehr selten und vom Aussterben bedroht sind, da Concorde in dieser Länge nichts mehr baut.
Wim vertieft sich in den Reisekoffer voller Anleitungen und Unterlagen zum Womo. Einiges rührt sich nicht, anderes braucht noch Information für den Nutzer, sonst ist menschliches Versagen vorprogrammiert. Batterieversorgung und Solar scheinen ok, Sog gibt keinen Ton, Tür Kühlschrank schließt nicht wirklich. So hat Wim seine Beschäftigung und löst die Probleme nach Lektüre und Nachdenken im Laufe des faulen Tages, den wir unter einem Kastanienbaum mit dem Wein-Rest von gestern schön schattig verbringen. Ich reiche zur kleinen Stärkung noch ein zitroniges Geflügelpfännchen an Schmortomätchen und zünftigem Vulkaneifel-Brot und kümmere mich um meine Fotos und das Geschreibsel.
Der Abend bringt uns eine von Wim per Radl erlegte Rotwurst, eine Pfälzer Leberwurst, ein Stück Saumagen und gutes Bauernbrot, in Kombination mit einem Kölsch echt lecker.
Der Abend bringt eine weitere Überraschung:
Was ist los mit Chianga ?
Hat sie beim Abendspaziergang ein Bein verloren ?