12.11.2021 Freitag
huuu huuuuuu huuuuhuuuuuuuu … Nebelkrähenwunderland. Raus aus dieser dumpfig-fahlweißen Suppe rund um das Mühlenanwesen. Wir wollen hoffnungsfroh den Sprung über den nahen Rhein ins Elsass wagen.
Der erste Stopp ist aber schon nach 100 m fällig: diese Aufkleber, diese Aufkleber müssen dran. Das war ohnehin eine Aktion mit diesen Dingern, Du meine Güte. Also ich hoffe mal, dass es auch vielen Mitcampern schon mal ähnlich ergangen ist. Manchmal hat man so etwas, was für Reisen dringend nötig und/oder zwingend vorgeschrieben ist. Man denkt zigmal daran. Man sitzt zigmal vorm Rechner, kommt vom Bestellen aber immer wieder ab. Letztlich gerät es in Vergessenheit. So, nun sitze ich einen Tag vor Abreise an meinem Schreibtisch, plane Rückreise über Elsass, vergegenwärtige mir: Elsass ist Alsace - und damit Frankreich. Ach nee, ach Du Schande, und dafür brauchen wir diese Aufkleber. Warum hab ich die nicht längst besorgt. Tja, ich bin sicher, würden sie 100 € kosten, dann hätten wir sie. Nicht zu glauben! Elsass will ich keineswegs abblasen, also müssen diese Dinger bis morgen her. Amazon verspricht Lieferung bis zum nächsten Tag, allerdings nur für die dauerhaft klebenden. Wir möchten aber die abziehbaren mit dieser Luftfolie, die mehrfach nutzbaren, möchten sie nicht dauerhaft auf dem Womo kleben haben. Da fällt mir ein Mitcamper ein, der diese auch verwendet. Kurze Frage, kurze Antwort: Firma Bänfer in Bad Wildungen stellt diese her. Also mal dort anrufen, mit allen Türen ins Haus fallen und volle Charmeoffensive voraus. Was soll ich sagen? Glück! Der Paketbote war noch nicht dort, er käme aber jeden Moment, man würde das hinkriegen, ein Umschlag mit den 3 Objekten unserer Begierde wird fertig gemacht, und ab geht die Post. Ist das zu fassen? Ich bin begeistert und nehme am nächsten Morgen die Sendung in Empfang, so dass wir planmäßig starten können. Es gibt doch auch noch echt so erfreuliche Begegnungen. Danke. Jedenfalls können wir nun zusichern, dass sie auch bei nebliger Kälte am Womo angebracht werden können und haften. Was will man mehr ?
Wenige Kilometer hinweg über den nur erahnbaren Rhein hat Frankreich uns. Spätestens klar ist es, als unser Rüdiger vorgibt: „Den Kreisverkehr an der siebten Ausfahrt verlassen.“ Jawoll, diese riesigen Kreisverkehre in Frankreich, fast schon vergessen, lange zurück liegt unser letzter Besuch. Auf den ersten Kilometern Richtung Vogesen und den Col de Donon zeigen sich riesige Holzlager, die typisch französischen Bilder und vielfache Denkmäler, die Erinnerungen an Kriegszeiten wach halten. Die leicht maroden Baulichkeiten in den Ortschaften verströmen eine so herrliche Atmosphäre, die wir sehr mögen.
Lebendig ist es in den Ortskernen, auch in dem ersten Intermarché, den wir sichten und natürlich anfahren. Lebensnotwendige Grundnahrungsmittel müssen gebunkert werden, wozu z. B. Paté und Terrine gehören und auch eine besondere Marmelade und natürlich Baguette und Schokocroissant. Tja, Gott in Frankreich. Ein paar gesunde Tomaten schaffen es auch noch ins Womo.
Schlagartig mit Einzug der golden-knusprigen Croissants wird die Wetterlage auch golden, blau-golden. Unglaublich klart der Himmel auf mit jedem Meter hinauf in die Vogesenhöhen. Die schmale Straße windet sich durch leuchtende Herbstwälder, die sich so allmählich völlig vom Laub verabschieden. An sonnenabgewandten Straßenseiten blitzt und glitzert es kristallig weiß. Es friert noch oder schon. Man wird eine dicke Jacke brauchen, obwohl die immer kräftiger scheinende Sonne etwas anderes vorgaukelt.
Ein Dorf reiht sich an das andere. Ganz so einsam, wie es scheint, ist es hier nicht. Auch auf dem bald erreichten höchsten Punkt des Col de Donon auf knapp 750 m herrscht Betrieb. Viele Besucher bevölkern den kleinen Parkplatz, auch ein paar Womos stehen dort. Aber kein Wunder, von hier aus hat man einen phantastischen Blick auf die bewaldeten Höhenzüge der Vogesen, deren Täler sich wie mit Milch ausgegossen still vor dem Auge ausbreiten. Wunderschön.
Und weiter schlängelt sich die schmale, aber gut zu befahrene Landstraße auf unserer heutigen Strecke von 120 km. Die Dorfhäuser geben alles, nutzen die Gunst der November-Sonne voll aus und bringen echt zum Staunen.
An mehreren kleineren Seen vorbei ist unser Ziel bald erreicht, die „Lacs des Pierre-Percée“. Über eine schmale Nebenstraße klettern wir weiter hinauf und sehen bald die Staumauer. Kurz dahinter geht es ab auf einen geteerten Parkplatz, der glücklicherweise noch zwei freie Lücken hat. Eine ist unsere, passt, wackelt, hat Luft. Herrlicher Blick auf den See, voller Sonnenschein, blauer Himmel. Sprachlos über das, was heute wieder so über uns im besten Sinne hereingebrochen ist, genehmigen wir uns erstmal ein Schnäpschen als Mittel gegen aufkommende Rührung oder auch leichte Unpässlichkeit wegen der gierig verschlungenen Schokocroissants.
Eine kleine Wanderung schließt sich an und natürlich Naturaufnahmen in aller Ruhe, zu denen der Nebel alle Register zieht und zeigt, was er so schwadenmäßig zu bieten hat.
Am späten Nachmittag positionieren sich so nach und nach auf einem höher gelegenen Parkplatz etliche PKW, alle schön in eine Richtung. Die An- und Aufbauten versprechen nichts Gutes. Tiefer gelegt, getönte Scheiben, Frittentheken, alles klar. Auch die Geräuschkulisse bestätigt, es können nur die sein, die uns auf unserer Baltikum-Reise schon so ans Herz gewachsen sind. Die Motoren blasen sich auf, dröhnen was Rohre hergeben, Reifen quietschen, und das alles im Stand. Hin und wieder löst sich einer aus der Gruppe und knöpft sich das Waldsträßchen vor. Also ermattete Wandersleut schaffen den rettenden Sprung unter Umständen nicht mehr in den Straßengraben. Auweia … stille Nacht? Ob es eine werden wird? Egal zunächst mal. Denn jetzt ist es erstmal blau: die blaue Stunde - eigentlich meine Lieblingszeit. Und dann kommt lange nix, und dann sehen - oder hören - wir mal weiter. Bis dahin müssen wir uns die Zeit vertreiben mit nicht Alltäglichem: einem wundervollen Sonnenuntergang und einem exzellenten Arrangement von der Terrine.
13.11.2021 Samstag
Heute ist deutlich November, der leicht kanadisch anmutende Blick auf den herrlichen See ziemlich trostlos. Es regnet. Wir ziehen weiter nur knapp 70 km bis zum Städtchen Lunéville. Auf der waldreichen Strecke begegnen wir etlichen Wandergruppen und Jagdgesellschaften. Da wird einer auf den anderen achten müssen. Kleinere und größere Ortschaften liegen an der Route, was alles etwas lebendiger macht.
In Lunéville angekommen, müssen wir etwas herumsuchen, da Rüdiger sich nicht entscheiden kann und uns partout in eine private Garageneinfahrt schicken will. Hinter einer langen Hecke am Schlosspark entlang liegt unser angepeilter SP. Die Einfahrt ist fast nicht auszumachen und abenteuerlich, da man quasi über eine, einer Verkehrsinsel ähnelnde Anlage über Fußgänger- und Radweg hinweg hinter der Hecke einfahren muss und im letzten Moment die Schranke erblickt, an der ein hochmoderner Kassenautomat auf Münzeinwurf wartet. Einige Womos parken schon, aber es ist genügend Platz, was bei gutem Wetter wohl eher nicht der Fall sein dürfte.
Da das Wetter noch hält, nutzen wir die Gunst der Stunde und wagen eine Radtour. Wenigstens das Schloss mit Park wollen wir unbedingt sehen, wenn auch nur kurz. Kurz wird es auch, denn bald fällt Sprühregen, dieser fiese dünne Wasserfaden, der durch und durch geht. Dennoch kommt er gerade nicht gegen die massige Wucht des riesigen Schlosskomplexes an. Meine Güte, was die Herrschaften sich früher so haben aufrichten lassen. Aber Glück ist, dass es überhaupt noch in dieser Pracht hier steht, denn es fiel seit Errichtung im 18. Jahrhundert einigen Bränden zum Opfer und galt nach dem letzten verheerenden Brand 2003 als größte Baustelle Europas. Dieses Meisterwerk klassischer Architektur wird gerne „lothringisches Versailles“ genannt und steht hier mit Gebäuden und Parkanlagen auf mehr als 21.000 qm im Zentrum der Stadt. Teile der ehemals fürstlichen Gemächer gehören heute dem Verteidigungsministerium.
Der sich anschließende prächtige Schlossgarten, der Parc des Bosquets, der das ganze Jahr über für Besucher geöffnet ist, wurde als französischer Garten streng geometrisch angelegt und gilt trotz Restaurierung der im 2. Weltkrieg angerichteten schlimmen Verwüstungen als Denkmal. Auch hinterm Regenschleier mit Kapuzen über den Ohren verfehlt der wunderbare Park seine Wirkung nicht. Lediglich ein so schönes gedankenverlorenes und zeitvergessenes Herumschlendern, wozu solche Orte geradezu einladen, ist weniger angezeigt. Wir nehmen direkte Routen, werfen nur Blicke.
In einem kleinen Wäldchen liegt ein großes Monument. Die niedergelegten Gebinde mit bunten Herbstblumen leuchten durch das laublose Geäst. Die vielen eingravierten Namen auf den schweren Steinquadern lassen wohl niemanden unberührt. Ein einziger Schrecken, eine Andacht, die einen sofort überfällt.
War unser Besuch nun leider auch nur kurz, so passte er doch in den November und die zugehörige Stimmung, die dieser Monat bei Sonnenschein, wie unterwegs ja auch erlebt, so gar nicht zu entfalten vermag. Es passt also, und ein moppelig warmes Womo, ein Gläschen Wein und ein guter Krimi im TV runden den Tag vortrefflich ab.
14.11.2021 Sonntag
Gut ausgeschlafen hinter Schlosshecken machen wir uns auf den Weg. Irgendwo vor der nahen deutsch-französischen Grenze planen wir einen weiteren Stopp. Vielleicht lässt sich noch ein gemütlicher Tag im Womo verbringen, bevor es morgen durchs Saarland zurück nach Hause in die Vulkaneifel geht. Die für den Norden Frankreichs typische Landschaft mit viel Ackerbau und großen Kuhherden durchfahren wir und auf den knapp 80 km bis zum Tagesziel bei wechselnder Bewölkung einige Orte mit stattlichen Bauerngehöften. Die Misteln wuchern einzelne Bäume komplett zu. Leider hängt kein Zweig so erreichbar tief, dass wir einen für die Weihnachtsdeko pflücken könnten und wenn, dann kann man unmöglich an der schmalen Straße anhalten.
So geht die Fahrt eben ohne Diebesgut weiter bis nach Farschviller an einen Angelsee. Hier ist eine asphaltierte Fläche, nicht übel, falls es evtl. noch vom Himmel schütten sollte. Während wir einparken, zieht ein Schwan interessiert vorbei. Einige Spaziergänger sind unterwegs, Angler versuchen ihr Glück. Alle grüßen freundlich zurück.
Gegen Abend zaubert einen kleinen Moment lang die Sonne noch ein herrlich goldenes Bild vom Seeufer und entschädigt für etliche dustere Eindrücke tagsüber.
15.11.2021 Montag
Nachdem auch heute morgen dustere November-Stimmung herrscht und der Weiher nicht wirklich zum Bleiben einlädt, packen wir auf und erreichen nach nur 20 km die Grenze Nähe Saarbrücken. Deutschland hat uns wieder, und mit einem Blick über das Moseltal bald auch unser Zuhause.
Jetzt heißt es: Ladung löschen, damit irgendwann im Laufe der nächsten Wochen auch der Weindurst gelöscht werden kann. Und die Weihnachtsdeko muss vorgekramt werden, wo sich uns doch unterwegs so reizende Anregungen boten …