Anreise Überfahrt

19.06.2024 Mittwoch

Für uns auch noch etwas erstaunlich, können wir nach unserer kurzen Runde durch die Ardennen jetzt nur eine Woche danach schon wieder loslegen, oder besser gesagt ablegen, um im nächsten Hafen anzulegen. Dieser Hafen ist Calais. Die Vulkaneifel liegt dafür günstig, es sind „nur“ 450 km von Haustür zu Haustür quasi. Gestern konnten wir trotz einiger Erledigungen unser Concördchen beladen und alles reisebereit machen. Zu den Erledigungen gehört die vom Tierarzt zu verabreichende Wurmkur, die bescheinigt und abgestempelt im Heimtierausweis zu dokumentieren ist. Also noch einen Besuch bei unserer Tierärztin dazwischen klemmen. Man muss heutzutage schon echt begütert sein, um einen Hund zu halten, denn für diese Gabe dieser Wurmpillen müssen für unseren ansonsten gesunden Hund 90,30 € bezahlt werden. Es ist nicht zu fassen. Es geht mir nicht um das Wissen darum, dass Hunde nun kosten, absolut nicht. Aber was Tierärzte seit letztem Jahr berechnen „dürfen“, ist nicht nachvollziehbar. Nun ist unser Chianga-Mäuschen jedenfalls amtlich vorbereitet, Deutschland zu verlassen und England zu besuchen. Auch schön. Nachdem unser Zuhause abgeriegelt und meine „nach dem Rechten guckende“ Schwester verabschiedet ist, können wir Gas geben. Und tatsächlich im nächsten kleinen Dorf kommt uns auf einsamem Landsträßchen doch tatsächlich ein englisches Womo entgegen. Wir werten das als gutes Omen und kommen auch tadellos voran, auch wenn es zunächst sehr gewittrig und grau ist, glücklicherweise aber nicht regnet. Belgien ist schnell erreicht. Über Lüttich nähern wir uns Brüssel, und die dunkle Bewölkung reißt zunehmend auf. Bei der Abfahrt „Grimbergen“ fühlen wir uns so direkt nicht angesprochen, lassen sie rechts liegen und nutzen einen Tankstopp, um an einem kurz danach auftauchenden kleinen See ein Kaffeepäuschen einzulegen. 

Auf der Weiterreise zeigt unser frisch upgedateter Navi-Rüdiger schon „Calais“ an. Prima, er ist auf der Höhe der Zeit und bei der Arbeit, und alles läuft. Belgien erinnert in dieser Gegend etwas an die Niederlande mit tollen Firmengebäuden, vielen Kanälen und dazwischen immer wieder weitem grünen Ackerland. 

Hinter Ostende lotst uns Rüdiger von der AB ab. Gut, Voreinstellung ist „mautfrei“, von daher haben wir erstmal keine Zweifel. Die Route läuft schön beschaulich am Kanal entlang, und wir schlüpfen sang- und klanglos nach Frankreich rein. 

Als es aber Richtung Duinkirchen-Zentrum geht, verlassen wir bei letzter sich bietender Möglichkeit sehr schnell die D601 und retten uns auf die A16. Ab da verabschiedet sich Rüdiger. Dieser elende Sack. Toll. 50 km vor einer Hafenstadt wagt er es, uns zu informieren, dass er den Satelliten sucht. Er turnt mit unserem Womo-Symbol im Niemandsland, obwohl wir eine ewig bestehende AB befahren, sucht und sucht. Aus- und Einschalten bringt nichts, Tobsuchtsanfall auch nichts. Es ist zwar so, dass wir auch per Karte hinfinden würden, aber allein die Tatsache, dass dieses Navi schon wieder streikt, nervt ungemein. Die Dinger kosten jenseits der 300 €, reichlich Nerven und werden wenig gebraucht. Man fragt sich, wie wir zum Mond fliegen können, aber dieses Navi keinen Satelliten findet. Aber wir finden die Route zum rausgesuchten Plätzchen im Hafen Calais. Durch einige Kreisverkehre hindurch und entlang hoher, mit Stacheldraht gekrönter Zäune stehen wir auf großem Parkplatz mit Blick auf die Straße von Dover und die Hafeneinfahrten. Blauer Himmel, Sonnenschein, ein paar wenige Mitcamper, perfekt alles für eine Nacht. 

Und TV-Satellitenempfang funktioniert sofort. Da kann Rüdiger sich mal eine Scheibe von abschneiden. Zur Strafe fliegt er erstmal in den Schrank und darf das Deutschland-Spiel um 18 Uhr nicht mit gucken. Hat er nun davon. Und dann wird es Nacht, nachdem Deutschland gewonnen hat ;-). Und morgen heißt es: Schiff ahoi ! Hoffentlich ohne Seegang! 

20.06.2024 Donnerstag

What a day … fangen wir schon mal an, aus dem schlechten Englisch ein passables zu machen. Gerade stehen wir in Lane 1134, einer Fahrspur direkt am Fähranleger der P&O, und warten auf Erlaubnis zum Aufspringen. Wir sind sehr zeitig losgezogen von unserem Schlafplatz am Hafenbecken nach ruhiger Nacht. Die Fähre geht um 10.30 Uhr, 1,5 Std. eher muss man sich einfinden, wenn man einen Hund mitführt, ansonsten reicht 1 Std.. Die Abfertigung an zwei Passkontrollstellen ist sehr freundlich und geht zügig, es herrscht nirgendwo Andrang. Online-Buchung mit Reservierung vor ein paar Tagen von zuhause aus war absolut kein Problem, alles ging papier- und reibungslos. Jetzt wird alles nur nach Nennung unserer Buchungsnummer abgewickelt. Ein Infozettel wird uns ausgehändigt, ein weiterer Zettel an die Frontscheibe geklebt, alles für den Hund, das war‘s. Inkl. einer Begehung und Sichtung unseres Womos sind wir in einer halben Stunde aus- und einreisetauglich und warten geduldig. Der große Duty Free Shop öffnet erst um 9.30 Uhr, die gähnend leeren Fahrspuren füllen sich ganz langsam, und die Anzeigetafel zeigt auch schon unsere Fähre an. Die Anspannung legt sich. Ich bin immer froh, wenn Hafenanfahrten klappen und Papierkram für „ok“ befunden wird. Man weiß ja nie. Ich bin jetzt gespannt auf die gebuchte „Pet Lounge“. Diese Fährgesellschaft bietet sie an, der Hund kann, muss aber nicht im Auto bleiben. Obwohl die Fährzeit von knapp 1,5 Std. für Chianga im Womo machbar wäre, nehmen wir sie natürlich doch lieber mit. Die Fotos dieser Pet Lounge im Web versprechen einiges, wir werden sehen. 

Unter den sich langsam sammelnden Fahrzeugen steht doch plötzlich ein Rolls Royce, nobles schickes Teil, und - man glaubt es nicht - mit deutschem Kennzeichen. Ein Stuttgarter und sein Begleiter aus dem Bergischen sind auf dem Weg zum jährlichen RR-Treffen hinter London. Wir plauschen eine ganze Weile sehr amüsant zusammen. „Corniche“ heißt das beinah ridgebacklike dark red weathen Modell, Baujahr 1974. Ja, es erinnert farblich auch sehr an das Esterell-Gebirge, durch das die Corniche an der Cotê d‘Azur führt. Schick schick, très schick. Und Monaco hat das Modell auch schon gesehen. Kurz dahinter schließt sich ein weiterer Oldie an, ein Bentley, allerdings auf Trailer. Wunderschönes Ding. Andächtig schleicht ein älteres englisches Ehepaar mit mir gemeinsam um die „Augenweide“ herum. Die Lady nimmt einen Zipfel ihrer Bluse, zwinkert in die Runde, haucht den Kotflügel an und reibt behutsam, als salbe sie einen Babypopo, über den Lack in Pflaume tiefdunkel. Mein „this is real quality“ wird begeistert erwidert. Schön, solche ersten Kontakte mit „Einheimischen“. Nach der Mini-Abstaubaktion flitzt die Engländerin zum Rolls Roys, fragt die beiden deutschen Männer, ob sie Kaffee möchten, die das zwar total erstaunt, aber dennoch bejahen. Daraufhin saust Lady zu ihrem PKW, an dem ein Wowa hängt und schmeißt die Kaffeemaschine an, erkundigt sich noch laut rufend, ob sugar und milk gewünscht werden und serviert bald darauf 2 Tassen Kaffee. Ich lehne dankend ab und zeige auf unser Concördchen, allright. Puuuh, vor unsicherer Schreibweise wird gewarnt, bitte wohlwollend auflesen, aber ich muss es ja üben ;-). 

Mein Versuch, im Duty Free Shop noch etwas Parfum zu beschaffen, scheitert, da sich ein Warnwestenmann den Fahrspuren nähert und sich die ersten Fahrzeuge schon bereit machen. Also auf die Lauer legen, und schon sind wir dran. Die Fähre erwartet uns, und wir versinken im Schiffsbauch gut eingekeilt zwischen LKW und Bussen, müssen nicht wie andere Womos die Rampe hoch zur nächsten Etage. Das klappt ja alles hervorragend. 

Nun stiefeln wir zu dem schon beim Einfahren entdeckten Zugang zur „The Pet Lounge“, fahren mit dem „lift for The Pet Lounge customers only“ auf die 9. Etage und staunen Bauklötze, aber echt! Da tut sich doch ein weitläufiger heller und piccobello sauberer Raum auf mit zahlreichen Nischen, gepolsterten Bänken und Tischen, kleinen und größeren Sitzgruppen, ganz herrlich gestylt mit Zeichnungen, Bildern und Sprüchen, die jedes Hundemenschherz höher schlagen lassen. Wir wählen einen Fensterplatz am Zugang auf das toll möblierte und frisch abgespritzte Außendeck. Muss man erwähnen, dass unter jedem Tisch ein Haken zur Befestigung der Leine ist oder dass eine Steckdose zum Aufladen diverser Geräte an jedem Platz installiert ist oder dass es einen Coffee Corner gibt und man sich kostenlos einen Kaffee brühen oder eine Flasche Wasser nehmen darf oder ein Stapel Hundenäpfe parat steht und ein WC mit Wickeltisch in diesem Bereich zur Verfügung steht ??? Einfach unglaublich hergerichtet alles. Solch eine Fährfahrt kannten wir bisher nicht. Und Chianga fühlt sich pudelwohl, auch als Ridgeback. 

Milchig hüllt sich die Straße von Dover ein. Viele Dampfer und Fähren kreuzen nah und fern. Lautlos geht alles vonstatten. Aber die See ist auch sehr ruhig. Das kennen wir von der Überquerung der Straße von Gibraltar auch sehr viel anders, nicht nur, was Ausstattung und Aussehen der Fähre an sich angeht. Hier klappert nichts. Und so dampfen wir genussreich in Richtung Kreidefelsen und Hafenbecken Dover. 

Nach fast exakt 2 Std. öffnet sich vor uns die riesige Klappe der Fähre, und wir dürfen anlanden. Zwischen dem Heck eines italienischen LKW und den eisernen Schiffsseiten guckt helles Felsgestein hervor. Hoch oben sitzen Häuser und genießen Aussicht auf ein turbulentes Hafengetriebe. Hier geht es irgendwie weniger gesittet zu, anders als vermutet. Es wirkt alles etwas unaufgeräumt, nicht sortiert, aber jedes Vehikel findet doch seine Spur, Hauptsache, es ist die linke. Und darauf weisen zahlreiche Schilder in mehreren Sprachen hin, immer und immer wieder. Wird seinen Grund haben. Grenzkontrollen irgendwelcher Art finden nicht statt. Vermutlich leisten die Mitarbeiter in Calais ganze Arbeit. Dann wollen wir mal … und immer schön links halten!