Sonntag 12.01.2014
Wir haben wieder sehr gut geschlafen. Heute am Todestag meines Papas zeigt sich der Himmel bewölkt. Drei Jahre ist es nun her, dass er gestorben ist. Ich denke viel an ihn, besonders wenn wir campenderweise unterwegs sind. Er liebte Camping und hätte mit unserem Camping-LKW sicher auch Spaß gehabt.
Wir ziehen weiter Richtung Erice, es soll sehenswert sein, und daher fällt es nicht schwer, unseren schönen Platz nun zu verlassen. An der Kreuzung zur steilen Serpentinenauffahrt nach Erice werden wir entscheiden, ob wir hinauf fahren oder besser nicht. Falls es zu steil sein sollte, bleiben wir in Trapani und fahren mit Bus oder Taxi in den hoch gelegenen Schwalbennest-Ort.
Unterwegs kaufen wir ein Brot und richtig leckere kleine süße Taschen mit Ricotta gefüllt, die sofort verzehrt werden.
Als der Wegweiser Erice kommt, atmet Wim durch und schwenkt ein. Und hinauf geht's. Die Straße ist steil, aber genügend breit, wahnsinnige Ausblicke zeigen sich, gefühlte 20 Haarnadelkurven, aber unser Diesel schleppt sich rauf. Oben angekommen finden wir reichlich Parkfläche, fahren in den Ort hinein, parken, steigen aus, und sehen, dass die Straße nach der Parkfläche nicht mehr so weiterführt, sondern nur noch sehr eng und schmal durch den mittelalterlichen Kern mit antikem Pflaster und für uns viel zu engen Torbögen hindurch verläuft. Was nun? Da, wo wir raufgekommen sind, ist Einbahnstraße. Egal, da wo wir fahren, fährt kein anderer. Wim parkt aus und fährt entgegengesetzt zurück bis zur nächsten Parkmöglichkeit mit besserer Abfahrtmöglichkeit. So, nun stehen wir gut. Beim Begehen der Straße sehen wir, dass wir ein Womo-Verbotsschild übersehen hatten vor lauter Glotzen nach einem passenden Parkplatz. So kann es gehen. Aber dank Vorsaison ging alles nochmal gut.
Durch Erice auf dem gleichnamigen 750 m hohen Berg ziehen Nebelschwaden. Es ist ein richtig altes Dörfchen, nicht den Charme eines toskanischen oder südfranzösischen Bergdorfs, irgendwie arabischer, mittelalterlicher, aber dennoch beeindruckend schön. Stämme und Geäst einzelner Bäume sind völlig mit Moos und winzigen Farnen bewachsen, da hier oben vermutlich häufig eine hohe Luftfeuchtigkeit herrscht.
Erice steht im Ruf, eine Mafia-Hochburg zu sein, aber bis auf einige wenige Grüppchen, u. a. mit Bazou nervenden, Flöten quälenden italienischen Kleinkindern, sind keine Leute unterwegs, also auch keine Mafiosi, wobei das undurchsichtig, neblig verhangene Wetter ja ideal für kriminelle Machenschaften wäre. Aber Spaß beiseite, hier oben drohnend erlebte das Dorf in vergangenen Jahrhunderten viele unfriedliche Zeiten, war besetzt von Arabern und Normannen, stand aber im Mittelalter in der Blüte der Zeit. Eine seltsame Erfahrung ist es doch immer wieder, sich auf so antikem Pflaster zu bewegen.
Wir kaufen zwei Sorten Pesto und verlassen den sehr ruhigen Ortskern, der noch hier und da weihnachtlich geschmückt ist.
Nun nehmen wir mit dem Womo die andere Bergseite zur Abfahrt. Es geht gut, aber ebenfalls sehr steil, man darf nicht sehr ins Rollen geraten. Wir landen in Trapani, das wir von den Höhen herunter schon bewundert haben, drehen eine Runde um den Hafen, entscheiden dann, dass wir nicht bleiben wollen, es ist noch zu früh, alles hat geschlossen und die Straße zum Hafen hin entwickelt sich typisch italienisch, nämlich immer schmaler werdend und mit immer tiefer hängenden Balkonen an den angrenzenden Häusern. Mit freundlichen Grüßen von unserem noch heilen Alkoven wenden wir.
Weiter geht es in Richtung Marsala durch die Salinen. Dort fahren wir einen SP im Dorf Birgi Vecchi an, eine kleine Parkbucht am Meer, direkt der Insel Mozia der Familie Whitaker gegenüber.
Diese aus England stammende Familie machte im vorigen Jahrhundert mit Wein aus Marsala das wirklich ganz große Geld, wobei der Urgroßvater als Banker bereits über ein stattliches Vermögen verfügte. Ein Sohn, u. a. Ornithologe, kaufte die kleine Insel Nähe Marsala, um dort ungestört seinen Forschungen nachgehen zu können.
Sehr idyllisch ist es hier mit Blick auf das ruhige Meer, das eher wie ein See wirkt. Eine Gruppe älterer Männer spielt Karten in einem Info-Häuschen am Straßenrand. Ich frage nach dem Weg zu einem Ristorante. Alle sind sehr freundlich. Ein älterer Mann fragt mich, ob ich aus Germania komme und hebt unter dem Applaus seiner Kartenspielfreunde begeistert den Daumen, als ich es bejahe.
Wir fahren noch eine Strecke durch die Salinen am Meer entlang, schauen im Lokal nach und verfolgen, wie die Sonne rot untergeht. Heute Abend gehen wir aus essen. Bazou kann im WoMo bleiben. Schön! Es war ein außergewöhnliches und recht teures Essen, Schwertfisch, Wim hatte allerdings leider etwas für ihn beinah richtig Widerliches: etwas mit Thunfischeiern .. na ja.
Montag 13.01.2014
Ein strahlender Morgen, blauer Himmel und Sonnenschein. Nachts habe ich mir überlegt, heute in Marsala, der westlichsten Stadt Siziliens, meinen Arztbesuch hinter mich zu bringen. Wir fahren ohne Frühstück auf der Küstenstraße immer am Meer entlang die paar Kilometer durch die Salinen nach Marsala. Es ist eine wunderbare Strecke auf diesem schmalen Sträßchen, der sogenannten Salzstraße, die 30 km von Trapani bis Marsala an den großen Salinen vorbei führt, immer am Wasser entlang, die vielen Windmühlen spiegeln sich in den rechteckigen Meeresbecken, Boote wiegen sich leicht hin und her, schmale lange Holzstege scheinen im Meeresblau zu verschwinden. So ruhig und friedlich alles, ohne jede Hektik.
In der großen Hafenstadt Marsala finden wir mit einer kleinen Rückwärtsfahrt durch eine Einbahnstraße, die wir geradeaus größenbedingt nicht hätten weiter befahren können, komplikationslos den Parkplatz und sogar am Rand eine Entsorgungsmöglichkeit. Passt gut, und wir stellen uns auf einen der ca. 8 Busplätze.
Danach geht es auf Suche nach dem gegoogelten Arzt. Angekommen sehe ich, dass es kein Kardiologe, sondern ein Zahnarzt ist! Blöd, ist ja schon ein ganz anderer Bereich. Ein netter Patient klärt das und zeigt mir in seinem iPad den Weg zu einem Analisti del sangue. Auch den finden wir schnell. Hinein, Erklärung, Blutentnahme. Am Nachmittag wiederkommen. Hervorragend! Wir wollen allerdings morgen früh wieder hin, weil wir nicht den ganzen Tag in Marsala bleiben, sondern einen CP anfahren wollen.
Nun marschieren wir durch Marsala, essen Panini und Ricotta-Taschen, trinken Capucchino, kaufen Gemüse und Fleisch, besuchen den Dom und bestaunen das Leben rund um die prachtvollen Bauten, die gelassene Geschäftigkeit im Gassengewirr und auf den sonnigen Plätzen. Die Sonne stimmt auch die hier lebenden Menschen zufrieden, man kann das sehr deutlich ihren Gesichtern ablesen.
Überall treffen wir auf Bewunderer von Bazou. Eine Sekretärin einer Hundeausstellung erzählt uns ganz begeistert, während sie Bazou unablässig streichelt, sie habe noch nie leibhaftig einen Ridgeback gesehen, es gäbe auf Sizilien nur 2 Stück dieser Rasse. Ein Mann bleibt stehen, zeigt uns einfach so Photos von seinem Labrador. Ein Apotheker kommt mit weißem Kittel aus seiner Farmacia, winkt uns zu und informiert sich eingehend über die Rasse. Und ein Mann staunt über Bazou und erzählt uns stolz in beinah fehlerfreiem Deutsch und ohne Zähne, dass er ein Jahr in Stuttgart gewesen sei. Klasse! Von den Italienern kennen wir diese Begeisterung für die Ridgebacks. Irgendwie habe ich mir zurecht gelegt, dass sie für diese großen Hunde deswegen in solche Begeisterungsstürme geraten, weil sie an Hunde in den großen Arenen erinnert werden, an Gladiatorenkämpfe. Wir haben wirklich schon erlebt, dass sich ältere, feine italienische Damen vor den Hund knieten, die Hände vor’s Gesicht hielten und nur „que bello, que bello“ riefen. So geschehen damals in Siena beim Anblick unseres Dayo. Ja, das Temperament eben, der Hang zum Drama, der Überschwang der Gefühle, bella Italia … e bella Sicilia.
Zurück auf dem Parkplatz stehen 2 weitere Womos neben uns.
Es gibt also doch noch welche! Wir sehen unterwegs sehr sehr wenige.
Wir rollen ab mit Richtung CP, der etwas in der Einöde liegt, zwar Häuser drum herum, aber alles ist geschlossen. Während wir uns dem Einfahrtstor nähern, läuft uns aus einem der Häuser der CP-Betreiber hinterher, er hatte uns kommen sehen. Freundlich empfängt er uns. Außer uns steht hier ein dänischer Wohnwagen und ein Womo aus Heidelberg. Wir sonnen uns, quatschen etwas mit dem allein mit Hund reisenden Heidelberger, essen Käse und Brot, laden alles Mögliche elektrisch auf. Bazou spielt ausgiebig mit Nachbars Jack Russel und zwei Streunern, sie laufen frei auf der weitläufigen Wiese, niemand wird gestört.
Wir spazieren kurz zum sehr naturbelassenen Strand und schleichen um die rundum fest vergitterten Häuschen, die offenbar jetzt unbewohnt sind und nur in Ferienzeiten genutzt werden. Abends gibt es was in den Pfännchen, Carpacchio vom Rind obendrauf, Kartoffel mit Käse unten. Wir planen unsere weitere Reise und lesen.
Dienstag 14.01.2014
Früh werden wir wach, ich hatte einen blöden Traum. Wir frühstücken und gehen duschen, entsorgen und fahren nach Marsala. Lungomare erreichen wir den Parkplatz. Da steht doch tatsächlich die Friesland-Truppe auf dem Platz. Wir grüßen, sie erkennen uns scheinbar nicht. Schnell begeben wir uns zu dem Dottore. Ergebnis der Laboruntersuchung ist wie Zuhause, also keine Probleme. Und das Ganze kostet sage und schreibe 5€! Wir fassen es nicht.
Da das Wetter nicht so berauschend ist, entschließen wir uns zur Weiterfahrt, kaufen im Supermercato noch Leckeres ein, auch Marsala für die Buben in Köln als Mitbringsel.
Bis Mazara del Vallo sind es 20 km. Viele Weinfelder liegen rundherum. Im Sommer wird es hier wohl sehr belebt sein. Das Navi lotst uns quer durch die Stadt, offenbar auf Umwegen, eng wird es, Wim muss sogar zu Fuß vor Weiterfahrt prüfen, ob wir durchpassen. Wir erreichen aber irgendwie das Hafengebiet, in dem die größte Fischkutterflotte Italiens liegt, und den SP auf dem Hafenparkplatz. Es regnet. Direkt am Kai parken wir, kochen erstmal einen Kaffee und verspeisen das Leckere aus der Pasticceria.
Fischerboote fahren ein. Ein großer Kahn wird geschleppt von einer Nussschale. Der fährt sich tatsächlich vor unserem Wohnzimmerfenster fest! Nicht zu fassen. Immer mehr Männer laufen zusammen und machen großes Palaver. Ein Lieferwagen zieht noch mit am Kahn, bis Wagen und seine Kupplung furchtbar stinken. Ein zweites Fischerboot kommt, schleppt ebenfalls mit. Und siehe da, der große Kahn bewegt sich. Sie drücken, ziehen und schleppen den Kahn direkt vor uns an die Kaimauer. Er hat wohl keinen Sprit mehr.
Die Seemänner zerren den Tankschlauch an Bord, er ist aber zu kurz. Also nochmal Kahn schieben, Schlauch umlegen an andere Seite. Alles steht Gewehr bei Fuß und springt auf Kommando des temperamentvollen Capitano. Alles im Griff, oder doch nicht. Auch die nicht direkt beteiligten Landmänner tun wild gestikulierend ihre guten Ratschläge lauthals kund, während der Lotse mit der lila Wollmütze oft lachend den Kopf schüttelt. Jedenfalls ist es schön, das alles mit anzuhören und anzusehen. Die erhitzten Gemüter beruhigen sich allmählich, aber nur ganz allmählich. Die Kaimauer hat keinen Schaden erlitten, wir mussten nicht flüchten. Grande spectaculo!
Der Regen macht Pause. Wir parken vom Rand der Kaimauer um, da wir hier evtl. Fischer stören könnten. Die Stadtbesichtigung steht an. Am Strand, der über und über voll liegt mit angeschwemmten Wollmäusen, flitzen direkt zwei süße Streuner herbei, Bazou spielt mit ihnen.
Unser Womo steht völlig frei auf dem beinah leeren riesigen Parkplatz. Wir sehen, wie ein seltsamer Typ plötzlich drum herum schleicht, wieder weg geht, in seinem Auto einen Schirm holt, und als er sich beobachtet fühlt, in einer kleinen Strandstraße verschwindet. Wir sind uns sehr sicher, der hat was vor, haben keine Lust mehr, den Parkplatz zu verlassen. Wir beobachten. Der Typ kommt wieder. Ich gehe forsch auf ihn zu, spreche ihn auf Italienisch an, drohend, dass er nur ja vorsichtig sein soll, keine Hand an das Fahrzeug legen soll, das Womo gehöre uns! Bazou bellt ihn an. Wie passend! Und er verkrümelt sich.
Da uns die Lust auf Stadtbesichtigung nun vergangen ist, steigen wir wieder ins Womo und fahren über den Lungomare weiter, wollen im nächsten Ort frei auf den Felsplateaus stehen. Es wird schon dunkel, aber wir finden nach leicht abenteuerlicher Fahrt durch den Ort einen wunderbaren Aussichtsplatz. Es gibt den herrlichen Brokolo aus Marsala, Bratwurst und Kartoffeln. Abends gucken wir einen Film, Nomaden entführen Touristen, saublöd. Es fällt Regen, der nachts anhält, aber es ist nicht stürmisch glücklicherweise, hier so nah am Meer auf den Klippen.
Mittwoch 15.01.2014
Die Nacht war ruhig und gut. Wim wacht, wie er sagt, aggressiv auf, na dann Prost! Gehe mit Bazou im Nachthemd und mit Fotoapparat auf den Klippen herum, der Himmel zeigt sich wolkig, blau, grau, sonnig, kein Wind, wunderbares Meer. Angler kommen, überall stellen sich morgens Angler ein. Und wie überall liegen tausende Papiertücher herum, tja, die Sizilianerinnen dürfen ganz sicher niemanden mit nach Hause bringen. Hinter uns liegen weite Brokolo-Felder, vor uns Klippen und Meer.
Wir überlegen unseren Tagesplan, bleiben oder fahren, entscheiden uns für Abfahren und machen uns auf nach Campobello di Mazara zum Cave di Cusa, einem antiken Steinbruch. Eine schöne Fahrt führt uns durch Olivenhaine an diesen, so hoffen wir, interessanten und eindrucksvollen Ort. Sehr gespannt parken wir unser Womo, werden von Streunern begrüßt und stapfen los.
Vor 2500 Jahren waren hier Steinbrucharbeiter und Steinmetze damit beschäftigt, die für den gigantischen Tempel im 15 km entfernten Selinunt bestellten Säulen zu fertigen. Die Werkstücke mussten aber zunächst aus dem Felsmassiv geschlagen werden. Nach Bearbeitung wurden sie dann kilometerweit und sehr beschwerlich mit vorgespannten Ochsen zu der Tempelstätte geschleppt und vor Ort angeordnet, weiter behauen und verziert. Damals ereilte aber quasi eine Hiobsbotschaft die Schwerstarbeiter: eine kriegerische Flotte naht, es gibt Krieg. Daraufhin ließen sie alles stehen und liegen, nahmen die Beine unter den Arm und Reißaus. Sie kehrten niemals wieder zurück, die fertigen Arbeiten wurden nie abgeholt und können heute noch bestaunt werden. Einzelne Brocken, Abschnitte der Säulen und halbfertige Stücke liegen im Gras herum, türmen sich zwischen Olivenbäumen, die vielfältigen Phasen der Bearbeitung kann man sehr gut erkennen und sich ein Bild davon machen, unter welchen Strapazen und mit welch enorm schwerer Arbeit die Meisterstücke letztlich entstanden sind.
Wir wandern eine ganze Zeit herum, die Zeit verfliegt nur so in dieser Ruhe, man hört förmlich das Gras wachsen, das aber in seiner Vergänglichkeit der Beständigkeit der steinernen und felsigen Spuren nichts anhaben kann. Und zwischen alledem kann Bazou frei laufen, ein Regenbogen spannt sich und zahlreiche Blüten lassen sich widerstandslos von mir ablichten. Farbe kommt wiedermal in unser Leben zur Winterzeit.
Es ist früher Nachmittag, und wir entschließen uns, wo wir schon mal auf der Tour Kultur so erkenntnisreich unterwegs sind, nach Selinunte weiter zu fahren zur Tempelbesichtigung. Wir durchfahren ein gut bevölkertes, enges Örtchen, eine herrliche Natur mit Ackerland, gelben Blumenwiesen, Olivenplantagen und blühenden Obstbäumen.
Und was steht am Ziel auf dem Parkplatz?
Doch tatsächlich die Friesenkolonne! Nicht zu fassen diese Zufälle.
Andächtig setzen wir nun unsere Sohlen auf diese archäologische Fundstätte unmittelbar am Meer, deren Tempel zu den schönsten und bedeutendsten griechischen Tempeln Siziliens gehören. Sie bestehen aus den Überresten der alten griechischen Stadt Selinus. Große Teile der vermutlich durch Flutwellen, ausgelöst von unterseeischen Erdbeben, zerstörten Stadt, Heiligtümer und Tempelanlagen wurden freigelegt in vergangenen Jahrzehnten.
Der Tempel der Hera auf dem Osthügel, auf den wir zugehen, ist zum Teil wiederaufgebaut. Man schreibt zwar, dass die Rekonstruktion sehr zweifelhaft sei und nicht dem Erkenntnisstand entspräche, was aber der Schönheit des Tempelbaus in unseren Kunstbanausen-Augen keinen Abbruch tut. Selbst Bazou bleibt einige Male sekundenlang am Fuß der massigen Säulen stehen und schaut langsam und staunend nach oben.
Und all diese Säulen wurden in dem gerade besuchten Steinbruch geschlagen, gemeißelt, geschleppt und nochmal geschleppt. Man kann es sich einfach nicht vorstellen, so gut man es auch versucht.
Erhöhen auch die inzwischen aufgezogenen dunklen Wolken die Dramatik des Augenblicks um ein Vielfaches, wirken die hellen Säulen vor dem Hintergrund der himmlischen Grautöne auch nochmal imposanter, so geht damit auch einher, dass die Wolkengebilde sich wild entschlossen und kompromisslos zu entleeren gedenken, und das leider nicht möglicherweise, sondern jetzt und hier. Unseren Rückweg zum Womo absolvieren wir so flott es geht. Zum näher zum Meer liegenden Tempel und den Ausgrabungsstätten können wir nur noch einen bedauernden Blick riskieren, und verbleiben mit freundlichen Grüßen bis zu einem anderen Jahr. Am Parkplatz macht sich eine wilde Hundemeute über einen Müllcontainer her. Aus dem Wohnmobil beobachte ich die Spielregeln des Rudels und freue mich über den aufziehenden Regenbogen.
Nach kurzem Überlegen folgen wir einem scheinbaren Geheimtipp im Internet: die Therme Acqua Pia Nähe Montevago. Die Fahrt ist abenteuerlich, nicht sehr weit, aber sehr spannend, und absolut verwunschen ist unser Zielort. Ich fühle mich sehr an Ubud auf Bali erinnert, an unsere Hochzeitsreise.
Auf überwuchertem, sehr schmalen Weg, gesäumt von Pfefferbäumen, scheinen wir uns einer Oase zu nähern. Aber die wirklichen Oasen liegen ja ganz woanders. Wir hoffen sehr, in einem der nächsten Winter auch einmal Oasen in Marokko ansteuern zu können.
Nun aber liegen wir erstmal hier in Sizilien, paradiesisch, in einer Therme - menschenleer und weltvergessen -, zwar noch in Regenpfützen, aber unter prall vollen Orangenbäumen am Ende eines Tales, und es raucht und brodelt um uns, und ein leichter Schwefelgeruch mischt sich in den Orangenduft. Genial!
Es ist schon spät, aber wir tauchen noch ins thermale Bad ein. Herrliche 40Grad!
Im Ofen brutzeln sizilianisch fertig gewürzte Pollo-Teile auf Verdure diverser Art.
Wir lassen uns noch etwas mit einem wenig geistreichen Film berieseln, und dann ist Feierabend.
Welch ein Tag ... dass es so etwas gibt ... und dann legt sich die Nacht über uns und Hunderte von Orangen im engen Thermental.
Donnerstag 16.01.2014
Die Sonne braucht etwas, um über die Berge zu uns ins Tal zu strahlen, dann war sie aber da mit blauem wolkenlosem Himmel. Sonne pur! Wir frühstücken gemütlich. Ein Womo fährt vor und stellt sich auf dieser großen freien Fläche tatsächlich direkt gegenüber. Eine Familie mit 2 Kindern aus Nürnberg. Wir beschließen, paar Plätze weiter nach hinten zu fahren, ich möchte auf dieser ganzen freien Fläche nicht unbedingt direkt gegenüber sitzen. Außerdem müssen wir dann auf Bazou nicht besonders achten.
Also Auto umparken. Wir stellen Stühle und Tisch raus und gehen eine Runde in die Therme. Es kommt noch ein weiteres Womo, aus dem tatsächlich 7 Personen purzeln. Sie sitzen später, ein ausgiebiges Bad muss ja heute auch sein, mit uns im Becken, Italiener mit amerikanischer Frau und Bruder und Familie. Wir unterhalten uns lustig miteinander in mehreren Sprachen und suhlen und planschen im wohlig warmen Thermalwasser.
Später wird gesonnt und gelesen, wir pflücken und essen die leckersten Orangen, die mir jemals in den Mund gekommen sind. Zwei weitere deutsche Womos kommen, Dickschiffe, die sich doch tatsächlich mit einem Hochentaster den Weg freischneiden, aber im vorderen Bereich bleiben und sich nicht noch zwischen uns und die Orangenbäume quetschen.
Nachmittags gehn wir nochmal zum Baden. Es ist wirklich sehr schön hier. Anschließend packt Wim den Grill aus und brutzelt was Leckeres: Schwein, Kartoffeln, Zucchini und Paprika. Es wird dunkel, wir essen im Womo und planen den weiteren Reiseverlauf. Wetterabhängig werden wir morgen bleiben oder fahren. Man wird sehen.