Ost nach West > Route der Kasbahs Ouarzazate > Aourir

Wetter

Let‘s go West ... 

der Sonne entgegen

Paradies

wie Adam und Eva 
im kleinen Paradies

Farben

Marokko ist Farbe

in vielerlei Hinsicht


Dienstag 30.01.2018

In der Nacht wache ich auf, die Zahnschmerzen sind richtig stark, die Backe dick. Und wir hängen hier in Erfoud. Ich maile alle möglichen Stellen an, wie die Reisekrankenversicherung, unseren Bekannten Thomas, den wir besucht hatten, Erika Därr und Edith Kohlbach, und die Sigrid Graetz in Agadir vom ADAC, in der Hoffnung, jemand kann mir vielleicht einen Zahnarzt nennen. Sie melden sich auch schon früh morgens zurück. Schon entschlossen, den von Thomas benannten Zahnarzt in Errachidia aufzusuchen, erhalte ich vor unserer Abfahrt die Mail von Frau Graetz mit den Angaben zu ihrer Zahnärztin in Agadir. Kurze Absprache mit Wim, und wir fahren los mit Ziel Agadir, das bedeutet über 800 km. Wir nehmen zunächst die N13 bis Errachidia, dann die N10 Richtung Ouarzazate, die Route der Kasbahs. Bis weit hinter Errachidia ist die Welt in ein fahles, milchiges Licht getaucht, riesige Pfützen stehen überall, die Menschen waten mit ihren langen Gewändern durch Schlamm und Nässe, Kinder sehen, wenn sie nicht gerade auf einem klapprigen Rad durch die Straßen sausen, recht bedröppelt aus. Aber das Leben, der Alltag, nimmt seinen Gang, die Händler in den Tausenden von Garagenläden am Straßenrand türmen ihre Waren auf, in den Autowerkstätten wird geackert, die Plätze davor voller reparaturbedürftiger Fahrzeuge. 

Auf unserer ersten Reise letzten Winter hatten wir uns bewusst die Route der Kasbahs aufgespart für dieses Jahr, um sie intensiver zu erkunden. Nun fällt sie in diesem Jahr den Zahnschmerzen zum Opfer, was bedeutet, wir durchfahren sie lediglich im Schnelldurchgang, was aber aufgrund der sehr kühlen Temperaturen auch besser ist. Die gewaltigen Bergrücken, die das Hochplateau einrahmen, schimmern unwirklich weiß durch den seltsamen Nebel, die Flächen um uns herum sind immer noch mit vielen Schneefeldern bedeckt, an den Straßenrändern liegen große Haufen des von Schneepflügen zusammen geschobenen Schnee. Hier muss richtig viel gefallen sein. Schemenhaft kann man durch den Nebel erahnen, von welcher Pracht die vor sich hin verfallenden Ksare ehemals gewesen sein müssen. Wir fragen uns, wie lange man überhaupt noch Reste davon erkennen kann, denn die Witterung hier im Gebirge am Hohen Atlas ist gewiss nicht vorteilhaft für Bauwerke. Und das zeigt sich auch an den Straßenverhältnissen. Diese sind grausam, für Auge und Fahrwerk. Nirgendwo haben wir bisher auf dieser Reise so schlechte Straßen vorgefunden, vor allem die Ortsdurchfahrten. 

Von daher mutet das Einlaufen in Ouarzazate an, als gleite man auf Schmierseife dahin. Gut erinnern wir uns an den großen Ort, in dem wir im letzten Jahr den Camping Municipal genutzt hatten. Dieses Jahr steuern wir das Bivouac La Palmeraie an, ein paradiesischer Fleck mit teuflischer Anfahrt. Er liegt außerhalb der Stadt, am anderen Flussufer, die Zufahrt ist nicht beschildert, im Verlauf recht eng, durch Schnee und Regen extrem schlammig und an der Stelle, an der man denkt, nun könne nichts mehr kommen, da tun sich links im Schilfrohr ein Turm mit Portal und eine sehr enge Durchfahrt auf. Wim nimmt Augenmaß, passt, wackelt, hat Luft. Die Begrüßung übernimmt eine Hündin mit ihren 4 moppelig-wolligen Welpen im Schlepptau, ein Pfau schleppt seinen schillernden Schweif äußerst arrogant über den Kies, ein kleiner Brunnen plätschert, einfach ein Idyll, ein Genuss, ein Stückchen Garten Eden. Wenn jetzt blauer Himmel wäre, wenn jetzt die hohen Bergzüge, der Hohe Atlas, rund um Ouarzazate mit ihren Schneehauben in der Sonne glitzern würden, was wäre das ein Bild. Ja, so könnte man wehmütig denken, aber auch so ist es herrlich. 

Die Küche am Platz gibt noch ein Gemüsesüppchen und ein Omelett mit Salat heraus, was ich trotz Zahnschmerzen ganz gut verschlingen kann. Eine tolle Etappe liegt hinter uns. Wim ist überzeugt, morgen Agadir erreichen zu können. Und dann fällt die Heizung aus, Gas verbraucht, was eigentlich nicht sein kann und darf, weil die mit LPG befüllbare Flasche die Reserve sein sollte und nur die normale zugeschaltet war. Aber Wim hatte blöderweise in die falsche Richtung gedreht, und so verbrauchte sich auch die Reserve. Wir hatten uns auch schon über unseren sehr geringen Gasverbrauch gewundert. Gut, Gas gibt es morgen ja reichlich an jeder Ecke zu kaufen, aber das macht es heute auch nicht warm im Womo. Also dick anziehen, Hunde einhüllen, früh ins Bett unter warme Decken. Erfrieren werden wir nicht. 

Mittwoch 31.01.2018

Wenn kein Gas mehr da ist, kann man keinen Kaffee kochen. Kann man doch, wenn man am Landstrom hängt und eine Elektropfanne an Bord hat. Das Wasserkochen im runtergekühlten Womo klappte schon mal prima, sehr zur Freude von Wim, der morgens seinen Kaffee dringend braucht. Wärmer, vor Entsetzen, wurde uns aber, als uns einfiel, wie dämlich wir doch sind. Unsere neue Alde-Heizung läuft auch über Strom, nicht nur mit Gas. Daran hatten wir am Vorabend mit keinem Gedanken gedacht. Schön, wenn man so ein tolles Womo hat und es einen immer mal wieder überrascht, diesmal positiv. Der Weg bis Agadir ist lang, daher sind wir zeitig unterwegs. Die N10 kennen wir vom letzten Jahr, sie ist gut ausgebaut, es geht zügig dahin, läuft. Die Gegend hinter Ouarzazate ist felsig mit rotbrauner Erde, ohne Baum und Strauch, mit unzähligen tiefen Wasserrinnen durchzogen. Vereinzelt kommt Farbe ins Spiel durch die sehr prächtigen bunten Töpfersachen, die Händler am Straßenrand anbieten. Die Straße windet sich bis auf knapp 1900 m, Graupelschauer fallen vom Himmel, zeitweise scheint es, als klare es auf, die Sonne schafft es vielleicht, aber dazu ist die Wolkendecke doch zu dicht. Bei einem kurzen Stopp huscht ein Streifenhörnchen über ein Geröllfeld vor uns davon, sie leben hier wild. An der Küste in Tamrhakht haben wir letztes Jahr einige gesehen, sie sind so putzig, wie zuhause die Eichhörnchen. 

Ab Taliouine, der Stadt des Safrans, und quasi im Sinkflug von den Passhöhen auf die Küste zu, wird die Landschaft lieblicher, über erste Blüten freuen wir uns. Die sanften Hügel mit ihrem hellen Gestein wirken wie grün gepunktet. Arganien, soweit das Auge reicht, locker mit weiten Abständen verwurzelt, bilden die alten dunkelgrünen Bäume einen faszinierenden Gegensatz zum beigen Grund. Ziegen fressen sich durch kleine Büschel, stehen aber auch aufrecht und hangeln sich nach dem wohl leckeren Geäst der Arganien. Der Moment, darauf zu lauern, dass ich welche sehe, die wirklich schon in einem Baum sitzen, und die ich evtl. mit der Kamera erwischen kann. Auch der Himmel zeigt Gegensatz zu dem, den wir bisher hatten, nämlich blau. Endlich mal wieder ein Himmelblau über großen Feldern mit Wassermelonen. Die Temperaturen schnellen von 6 auf 20 Grad, das ist doch mal was. Hin und wieder begegnet uns ein Womo, auch lange nicht mehr erlebt. 

Richtung Taroudannt, den Toubkal, den höchsten Berg Marokkos mit seinen 4200 m zur Rechten, begegnen uns wieder die völlig mit Grünschnitt zugeladenen Karren, Fuhrwerke, Transporter, Hänger und Fahrräder. Alle sehen aus, als habe man ihnen einen Afro, eine wilde Mähne verpasst. Hier reihen sich Orangenplantagen aneinander. Man kann sich vermutlich den Rückschnitt der Plantagenbäume abholen. Ob es wohl als Futter für das Vieh dient oder auch zum Heizen, wir wissen es nicht. Es sieht jedenfalls sehr lustig aus. Etliche Pritschenlaster begegnen uns, auf deren Rampen viele Menschen dicht gedrängt, sicher sind sie auf dem Nachhauseweg nach einem Arbeitstag in den Plantagen. 

Taroudannt haben wir letztes Jahr per Fahrrad erkundet, eine weitläufige, schöne, pulsierende Stadt, umrahmt von einer Stadtmauer, überall Postkartenmotive. Hier haben wir uns damals auch eine Gerberei angesehen, sehr beeindruckend, wie die Männer dort ihrer extremen Arbeit nachgehen. Aber jetzt lassen wir es bis Agadir rollen, suchen im heftigen Verkehrsgewühl nach der Zahnarztpraxis, die wir auch nach etwas Rumkurven finden. Leider hat sie ausgerechnet heute Nachmittag geschlossen. Eine freundliche Mitarbeiterin schreibt mir die Öffnungszeiten auf, werde also morgen wiederkommen. Was nun? Stadtnah auf den CP oder nach Aourir fahren, wo Frank und Marlies sich mit den 3 anderen aus unserer Facebook-Gruppe aufhalten? Die würden sich wundern, meinen ja, wir seien in der Wüste. Und wie die sich wundern, sie freuen sich total. Wir verbringen einen schönen Abend mit Quatschen in unserem Womo.