Tag 7 - 21.01.2023 Samstag
Leicht unruhig verlief die Nacht, nicht was den Platz angeht, aber irgendwie wollte wohl das Reisefieber in mir keine wirkliche Ruhe geben. Ja, es ist immerhin ein Kontinentenwechsel, Afrika, und Afrika ist Afrika. Und damit Gedanken an unsere Hunde, unsere Afrikanischen Löwenhunde, an unseren geliebten Bazou, der nicht mehr bei uns ist, die erste Marokko-Reise ohne unser Bübchen. Ein schmerzhafter Verlust mit leidvoller Erkenntnis, dass er endlos fehlt. Gedanken an ihn sind schön, Erinnerungen erfüllend, aber die Trauer ist mit von der Partie und beutelt immer mal wieder, mal mehr mal weniger. Unser Chianga-Mäuschen genießt aber sehr die ungeteilte Zuwendung, es ist uns allen ein Vergnügen, mit diesem meist sanften Wesen unser Leben zu teilen. Es wird noch schwer werden unterwegs, die Bilder der beiden in dieser beeindruckend faszinierenden marokkanischen Natur sind so prägend und präsent in uns, sie werden auftauchen, unweigerlich, Chianga wird es meistern, mit uns. So, jetzt aber genug rumgenöhlt. Heute morgen heißt es, sehr zeitig in die Puschen zu kommen. Um 9 müssen wir am Hafen sein, gewaschen und gekämmt. Schnell einen Kaffee reinziehen, Chianga füttern, flott Gassi zwischen den wartenden Womos, und auf die Plätze, fertig, los.
Es dämmert noch leicht, als wir die StadtAB an der Ausfahrt 108C verlassen und uns der Tunnel schluckt. Hinter den blauen Hafengiraffen schimmert noch die Morgenröte. „The rock“ Gibraltar liegt unter wolkenlosem Himmel. Kein Windchen geht. Welch ein Segen! Die Rückfahrt im März 2020 damals mit letzter ablegender Fähre in Corona-Zeit war entsetzlich. Mann, war mir schlecht. Ich dachte, es sind meine letzten Atemzüge. Aber beinhart stand mir Bazou damals bei. Wie war das noch .. mit den Freunden und dem Wind und dem Sturm und den Hunden, den Hunden, die einem selbst im Sturme treu bleiben, die Freunde schon bei einem Windchen flöten gehen. Ach ja … gut geführt durch Beschilderungen und Begrenzungen erreichen wir auf dem Hafengelände wie üblich völlig stressfrei den Abfertigungsbereich für Tanger. Kurz werden die Tickets kontrolliert und man weist uns eine Fahrspur zu. Motor aus, erstmal Frühstück. Neben uns rollen 4 französische Mitcamper ein, die uns freudig begrüßen, wir haben vor zwei Tagen eine Nacht zusammen verbracht am Spar-Markt. Aber das sind nicht die einzigen, die zur Fähre wollen. Du lieber Himmel, es laufen und laufen immer mehr Womos ein, eine Karawane in weiß. Eine große „geführte“ Gruppe aus Deutschland ist dabei. Die Teilnehmer werden sicher sehr aufgeregt sein. Wir warten … und ich stelle noch schnell den Text auf der Website ein, man weiß ja nie, wie schnell ich in Marokko an Datenvolumen komme. Bleibt uns gewogen … und freut Euch mit uns auf Marokko. Danke für‘s Mitreisen! Und Gruß im Gästebuch nicht vergessen ;-).
Ungewöhnlich viele Womos stehn in den Startlöchern, scharren mit den Hufen. Um 10 Uhr ein Pfiff, wir dürfen vorziehen zur Passkontrolle. Jede Menge Fahrzeuge füllen die Spuren. Wo sollen die alle hin, das fragt man sich. Da schaukelt auch schon eine weitere Fähre an, außerplanmäßig. Wir dürfen um 10.30 Uhr entern, werden ganz vorne platziert, und können um 11 Uhr das Womo verlassen, um uns an Deck in die Schlange der Einreisewilligen zur Erledigung der Formalitäten einzureihen. 11.15 Uhr setzt sich die Fähre in Bewegung. Gut eine halbe Stunde dauert es, bis wir an der Reihe sind, es geht langsam voran, Marokko kennt nicht so das eilige Abhandeln. Dafür aber das äußerst freundliche und herzliche. Das bekommen wir sofort zu spüren vom jungen Mann am kleinen Tresen. Wir lieben es. Auch die Unterschiede zu unseren Verhältnissen fallen schnell wieder auf. Man achte nur auf die Bekleidung der Füße. Marokkaner tragen alles, was irgendwie passt, etwas zu knapp, kein Problem, etwas zu weit, auch nicht. Kurz vor 12 Uhr haben es geschafft und suchen einen Ausgang nach draußen. Aber schön blöd, es gibt keinen. Alles geschlossen. So wird das heute nix mit Seeluft und freiem Blick auf Hafengiraffen, Gibraltar und das marokkanische Rif-Gebirge. Die Fahrzeit muss drinnen abgesessen werden.
Nach sehr ruhiger Fahrt ohne Wellenberge und Seekrankheit können wir um 12.45 Uhr wieder ins Womo und legen in Tanger Med an. Es dauert etwas, bis die Klappe ordentlich aufliegt. Und dann dürfen wir starten und losfahren und sind um 13.15 Uhr auf afrikanischem Boden. Chianga musste also knappe 2 Stunden allein im Womo ausharren, was sie offenbar ganz gut gemeistert hat, wobei die Motorengeräusche schon extrem laut waren. Zwei Hündchen sahen wir an Bord. Eigentlich ist das nicht erlaubt. Aber ein Kleiner klemmte unter dem Arm seines Herrchens und ein anderer Halbhoher wurde ganz normal an der Leine geführt. Evtl. muss man es einfach tun. Eine Stunde später sind auch die letzten Stationen der Einreise abgewickelt, ohne dass uns jemand nach Alkoholvorräten befragt oder das Womo von innen besichtigt hätte, so, wie wir es bisher kannten. Unerklärlich dauert aber alles ewig, es bewegt sich kaum etwas. Bettelnde junge Männer werden von Wachmännern verscheucht und klettern flink meterhohe Absperrzäune hoch. Auf diesem Weg werden sie auch die ansonsten hermetisch abgeriegelte Hafenzone erreichen. Schon schlimm für die Burschen. Wir wechseln noch wie üblich Euro in Dirham und machen uns auf den Weg zur Atlantikküste.
Über die mautpflichtige AB ist Asilah in 75 km Entfernung das heutige Ziel. Auf der Route werden uns direkt bei perfektem Wetter und warmen Temperaturen die so liebgewonnenen Ansichten und Farben vor Augen geführt. Die großen Feuchtgebiete stehen kaum unter Wasser. Statt angelnden Kranichen und Flamingos stehen nun grasende Schaf- und Kamelherden auf den sandigen Böden. Auf den Dachterrassen der farbenfrohen Würfelhäuser flattert Wäsche im Wind, Teppiche liegen auf den Brüstungen, Wiesenblümchen färben weite Flächen leuchtend gelb und der Gasmann ist auch unterwegs. An der ersten Tankstelle füllen wir Sprit auf, 1,40 € pro Liter, ein unsagbar hoher Preis im Verhältnis zu 2020, den ja die Marokkaner wohl kaum aufbringen können. Wagenwäsche erledigen wir, bzw. sie wird erledigt, für 70 Dirham wird unser Concördchen vom gröbsten Schmutz befreit und der Hund der Tanke döst vor seiner Hundehütte in der Sonne.
Schnell erreichen wir Asilah, nachdem wir die AB verlassen und 72 Dirham Maut bezahlt haben. Bis auf weitere Bebauung scheint alles unverändert. Die Kutschen kutschieren herum, Menschen flitzen und sitzen herum, Händler mit ihren Handkarren sind beschäftigt und die knallfarbenen Taxis sausen von hier nach da.
Leider gibt es den großen Parkplatz direkt am Meer, auf dem Womos übernachten durften, nicht mehr. Stattdessen winken die beiden CPs in zweiter Reihe die unfassbar zahlreichen rumkurvenden Womos heran. Du lieber Himmel. Das ist ja was für uns. Mannomann. Wenn der Kreisverkehr einem Womo-SP ähnelt, weil er vollgepfropft ist mit unschlüssig herum eiernden Womos, dann wird‘s brenzlig mit meiner Laune. Ich weiß, das kann ungerecht sein und überheblich klingen, aber ich bzw. wir mögen es einfach nicht und haben leichte Beklemmungen, dass es sich auf den ersten Kilometern in Marokko bewahrheiten könnte, dass dieses Jahr alles von Campern überrannt wird. Ohje … ein Schnaps ist fällig, nachdem wir kurzentschlossen, da wir heute nicht weiter fahren wollen, die abschüssige Zufahrt zu einem der Plätze wählen, um da erst mal unterzukommen. Das ist nicht Marokko. Einfach ausgestattet ist überhaupt kein Problem für uns, im Gegenteil. Aber vergammelt und vermatscht und einfach nur scheußlich mit Müll in den Ecken und das für 70 Dirham pro Nacht ohne Strom ist Abzocke. Da vergeht einem die Lust auf das proppere wunderhübsche Städtchen Asilah. Solch eine miserable Stelle hatten wir bisher nie. Mal sehn, wie es morgen weitergeht … für heute haben wir die Faxen dicke, nachdem sich auch noch die ganze Karawane der „geführten Reise“ um uns schart und sich der Platz im Laufe des Abends unendlich füllt. Hartes Camperleben ;-).
Tag 8 - 22.01.2023 Sonntag
Dieser Sonntag ist zu schade, um ihn fahrenderweise zu verbringen. Wir bleiben. Die Sonne lacht. Frühlingshaft warm ist es mit 20 Grad. Asilah ist so wunderschön. Obwohl wir es gut kennen, werden wir doch wieder eintauchen und uns schon mal mit Marokko-Eindrücken vollsaugen. Nötig ist es! So sattelt Wim die Räder. Chianga steigt wie üblich ohne Aufforderung in den Anhänger ein. Sie liebt es einfach, so wie Bazou auch. Durch den großen Kreisverkehr radeln wir. Ein Strandspaziergang wird, nachdem wir die Räder auf dem Kutschen-Parkstreifen geparkt haben, eingeschoben, bevor es Richtung Hafen geht. Etwas wehmütig schauen wir auf den Parkplatz direkt am Meer, der so toll für eine erste Nacht in Marokko geeignet und erlaubt war, jetzt aber durch Verbotsschild und hohe Bordsteine abgeriegelt ist. Die ganz sanft gehügelten Dünen, in denen immer eine lustige, redselige Marokkanerin ihre 3 Schafe hütete, sind platt gemacht, eine lange breite Betonplatte zieht sich am Meer entlang, aus der ganz sicher bald eine wunderschöne Promenade wird.
Schade eigentlich, denke ich so, als ich kurz hinter dem großen Tor zum Hafen „zurückgepfiffen“ werde. Ach Du Schande, schon der erste Rüffel fällig! Geht ja gut los. Ein strahlender Polizist in tadelloser Uniform zitiert mich herbei. Er zwinkert und deutet an, ich sei einfach ohne Stopp am Schlagbaum vorbei gefahren. Puuuh … nachdem ich ihm mit unschuldigem Augenaufschlag versichere, es wegen der Schönheiten der Stadt und im Urlaubsmodus befindlich „malheureusement“ nicht gesehen zu habe, lässt er mich lachend ziehen. Das ist es, das ist das, was vielfältig die Begegnungen hier auszeichnet, diese überschwappende augenzwinkernde Herzlichkeit der Menschen, die Freude am Spaß, die Begeisterung füreinander - und meistens ohne jeden wirtschaftlichen Vorteil. Ich darf jedenfalls das Hafengelände ohne Fußfessel durchradeln, wir lassen die Stimmung wirken, trudeln in der Frühlingssonne, schauen den Fischern zu und plaudern.
Viele marokkanische Familien sind unterwegs, lassen sich kutschieren, bevölkern die Cafes, haben Spaß miteinander und erfreuen sich an all den kleinen und großen Kunstwerken, die die Gassen der Medina zu bieten haben. Quasi jedes Gesicht lächelt einen an, beinah jeder grüßt, so viele verwickeln einen in Gespräche. Lästig ist uns so etwas nie. Im Gegenteil! Oft begegnet man auch der gleichen Person gleich mehrfach im Gassengewirr. Das ist dann ein Spaß. Dann ist es so, als kenne man sich ewig, wird sogar den Bewohnern der umliegenden Häuser vorgestellt.
Nach Erklimmen der Festungsmauer und herrlichem Genuss von Meerblick mit Panorama lockt uns ein Nuss-Händler erfolgreich an, und wie üblich ist am Plätzchen am Festungsturm der erste Tee der Reise fällig, so wie immer, während der Muhezin ruft und man sich auf den Weg in die Moschee macht.
Aber nach Hafenluft und Gassenstimmung ist jetzt das absolut Authentische dran: der Souk. Oh mein Gott, wie haben wir das vermisst, dieses Gefühl von Andersartigkeit, von Fremdkörper sein, von Einfach-nur-Rumstehen-und-Staunen-und-Gucken, das Ganzkörpergänsehaut beschert. Eintauchen in diese Geschäftigkeit, die mit zunehmender Stunde auch immer mehr wird, ist einfach grandios. Ali Mitgutsch malte so begeisternde Kinderbücher, Wimmelbilderbücher, die unsere Söhne verschlungen haben. Hier könnte man Teil einer solchen Buchseite werden. Jeder macht was anderes, jeder Jeck ist anders, und doch ist alles eine runde Sache und jeder weiß Bescheid. Wohl auch die, die sich mit schwersten hochpreisigen Karossen behäbig mitten durchs Gewühle quetschen. „Kö Düsseldorf“ oder „Ringe Köln“ lassen grüßen. Flanieren ist angesagt, aber dem Händler mit dem Handkarren voller Haarschmuck oder der Bäuerin, die ihre Palmherzen heraus putzt, ist es wurscht. Alles erzählen darüber ist zu wenig, darum viele Fotos.
Wir können in einem Handyshop noch die Prozedur der marokkanischen Sim-Karten erledigen bzw. erledigen lassen. Ohne Eile zelebriert ein junger Mann das passende Ummodeln. Unsere beiden Handys sind nun mit marokkanischer Sim-Karte wieder aktiv im Geschehen mit je 5 GB Datenvolumen, und eine Sim-Karte mit 20 GB wird später im Womo in den Router eingebaut. Billig ist es nicht, wir zahlen 1500 Dirham. Mal sehn ob alles funktioniert, ohne GB jedenfalls bin zumindest ich nicht lebensfähig ;-), Wim schon eher. Dankbar ziehen wir weiter, eigentlich dem Geruch von frisch gebackenem Brot hinterher. Und wir werden doch tatsächlich schlafwandlerisch sicher in die Backstube geleitet. Kleiner Raum, randvoll mit Duft. Direkt aus dem Ofen kaufen wir 2 kleine runde Fladenbrote. Die werden abends verspeist. Freudig weisen uns der Verkäufer und der Mann am glutheißen Hochofen in die Backkunst ein. Wir kennen diese „Stube“ schon, und es ist sehr schön, wieder hier zu stehen und sich auf‘s knusprige köstliche Brot zu freuen.
Heimwärts geht es. Am Meer entlang und den Häppchen entgegen. So langsam läuft’s bei uns. :-) Und morgen ziehen wir weiter.